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Weltjugendtag 2005 in Köln, Teil II
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jrose



Beiträge: 2736

Titel: Weltjugendtag 2005 in Köln, Teil II
Verfasst am: So, 14 Aug 2005, 19:44
Beitrag
Antworten mit Zitat

Weltjugendtag
oder: der Tag, an dem der gesunde Menschenverstand seinen Jahresurlaub nahm

Teil (römisch-katholisch) II




Um eins direkt mal klarzustellen: was köln.de da seit kurzem behauptet, nämlich "Die ganze Stadt freut sich auf die Pilger" (Link), ist selbst für den ruhigsten Kölner, der den Weltjugendtag mit einem "Wat wellste maache" quittiert, ein Affront sondergleichen. Von einer Heerschar überfallen zu werden, liesse sich ja vielleicht gerade noch mehr schlecht als recht, zähneknirschend und mit dickem Fell hinnehmen, aber sich drauf freuen geht anders.

Während an den Poller Wiesen die Dixie-Klos aus den Alleen wie Schimmelpilzer aus der Wurst sprießen und an der Wasserstelle am Deutzer Bahnhof minütlich Liter um Liter des kostbaren Nasses nicht ihrem ursprünglichen Zweck zukommen, nämlich vor Dreck stehenden Pilgern als Waschmittel zu dienen, sondern ungehindert im nächstliegenden Gulli versickern, hat die Stadt Köln himmlische Tuchfühlung aufgenommen und vermeint schon jetzt, den Popen zumindest im Geiste unter uns ausmachen zu können: "An vielen kleinen Dingen meint man die Anwesenheit des Papstes schon zu spüren." (Link), wobei man natürlich direkt weiß, woher der Wind weht, wenn man sich das "kleine Ding" ansieht, das der Stadt Köln als allererstes einfällt, wenn es an das weltliche Oberhaupt der katholischen Kirche denkt: "Auf der Domplatte werden sakrale Souvenirs verkauft (...)"
Die hören auch schon das Meer rauschen, wenn sie erfahren, daß es beim Lidl Ananas günstig zu erstehen gibt ...


Aber weiter:
Die Stadt schmückt sich. Naja, folgt man der Defintion von Schmuck als "subjektiv schön empfundener Gegenstand" (Link), ist das ganze schon sehr subjektiv empfunden.
Am Domforum (gegenüber der großen Kirche in Köln) hängt nämlich zur Zeit ein "Fotomosaik", ein riesiges Bild, das dem Begriff "Kitsch" eine nie geahnte Dimension verleiht, ein Bild vom unlängst aufgefahrenen Papst Johannes Paul II., bestehend aus 100.000 Einzelfotos, die Gläubige aus 175 Länder eingeschickt haben. Was für Bilder das sind, ist leider nicht zu erfahren, allerdings kann man mit Sicherheit davon ausgehen, dass keine unchristlichen Motive Einzug in das Abbild von JP2 gefunden haben und jetzt etwa ein entblößter Arsch das Kinn des heiligen Mannes ziere.
Gleichzeitig kann der geneigte Pilgererer ein "Megaposter" vom "Neuen" bewundern. Kannte man den Begriff "Megaposter" bisher nur von überdimensionalen Werbeflächen, die einem den Kauf eines neuen Familienautos oder den Besuch eines muffigen Museums nahelegten, so ist diese Reklame-Masche jetzt auch für den WJT entdeckt worden: Papst Benedikt XVI. hängt nämlich ebenfalls in der Gegend rum und grüßt mit demselben schälen Blick in die weltfremde Ferne, der uns auch von zahlreichen Litfasssäulen entgegenstrahlt und da auch noch mit einem frommen Spruch - die Armut der Welt betreffend - aufwartet.




Überhaupt: werbetechnisch läuft die katholische Propaganda-Maschine auf Hochtouren und viele schließen sich an ... die Bild-Zeitung verkündet karnevalistisch "D'r Papst kütt", im Vordergrund zwei Jungchristinnen, die - interpretiert man ihren Gesichtsausdruck richtig - sich wahrscheinlich gerade in den siebten Orgasmus-Himmel gebetet haben.
Multikulturell korrekt begrüßt auch die Supermarkt-Kette Plus die Pilger mit einem "Herzlich Willkommen zum Weltjugendtag" und Abbildung einer ethnisch durchmischten Gruppe in weißen T-Shirts - das muß vor dem WJT sein, nachher erwarte ich schweißgeränderte Outfits mit deutlichen Rotspuren ordentlicher Selbstkasteiungen. Ebenfalls abgebildet ist das WJT-Logo ... ob der Abdruck ohne Lizenzgebühren genehmigt wurde? Naja, ich glaube mal nicht, dass bei derart weltlichen Angelegenheiten der Gotteslohn ausreicht.
Und weiter: selbst beim Autofahren wird man willkommen geheißen, alle zwei Meter erblickt man am Straßenrand die Werbetafeln mit den wechselnden Motiven, die schon so manchen Lenker eines Kraftfahrzeugs ob der unerwarteten Bewegung im Augenwinkel die Böschung hinabbefördert hat. Aber keine Panik: der christliche Devotionalien-Shop hat bestimmt eine Christopherus-Plakette im Angebot.


Womit wir direkt beim nächsten Wunder wären, dessen Zeuge wir im Rahmen des WJT werden können: die wunderbare Tag-Vermehrung, das Zeitloch, die unvermutete Dehnung von Zeit und Raum, die man sonst nur nach Genuß von mehreren Litern Messwein erleben kann. Liest man den Willkommensgruß auf den Plakaten genau ("800.000 Jugendliche. 160 Nationen. 1 Weltjugendtag."), fällt einem noch nicht allzuviel auf (außer, daß man vielleicht den Drang zur Flucht verspürt, sein Hab und Gut aber nicht plündernden Pilgern kampflos überlassen will und daher bis an die Zähne bewaffnet, nervös lauernd in seiner Bude hocken bleibt), noch eine Zeile tiefer stoßen wir aber auf das Mirakel: "Vom 16. bis 21. August 2005."
Klingelts? EIN Tag? Vom 16. bis 21. August?? Entweder die Organisatoren des WJT haben zuviel Weihrauch inhaliert, oder wir werden wirklich Zeuge einer bisher nie dagewesenen, wundersamen Streckung der Zeit eines Tages über sechs volle Tage. Vielleicht hat Ben XVI. ja persönlich ein Wort beim Wettergott eingelegt und es wird auch garnicht dunkel in der Zeit, um die Illusion perfekt zu machen - die Sonne wäre uns (auch als Nicht-Pilger) gegönnt, nach dem Scheißwetter der letzten Wochen!


Und noch eine Meldung von hohem Interesse für die Weltpolitik:
"Meisner räumt seine Wohnung für den Papst", damit aber nicht genug, denn (Zitat Meisner): "Ich habe auch einen italienischen Kaffeeautomaten angemietet" (Link).
Meisner hats in seinem Kalkschädel wahrscheinlich noch nicht mitbekommen, aber WIR sind Papst! Der Pappa aller Pappas ist Deutscher! Nur, weil er seinen Wohnsitz kurzzeitig Genitalien verlegt hat, braucht der noch lange nicht seine eigene Kaffeemaschine. Schon garnicht, wo es doch Starbucks an jeder Ecke gibt! Ok, eine eigene Hausbar mit Zapfanlage für gutes deutsches Bier hätte man ihm zugestehen können, die hat Meisner in seinem Partykeller bestimmt eh schon eingebaut, aber einen "italienischen Kaffeeautomaten" und dann noch gemietet?

Gut, daß wir das nicht bezahlen müssen, denn dafür kommt hoffentlich die katholische Kirche selbst auf. Was wir aber schön latzen dürfen, ist der ganze andere Unsinn, der mit dem WJT noch so angeschwemmt wird.
Die ganzen Absperrungen in der Stadt, die Brücken, die Autobahn (ja, die A1 wird mal kurzerhand gesperrt, damit da die Busse parken können, mit denen heilshungrige Pilger rangeschafft werden, Link), das muß alles beaufsichtig werden. Genauso wie die Bürger selber: am Tag, an dem der Papst die Synagoge in Köln besucht, besteht Ausgangssperre in den anliegenden Straßenzügen! Will man irgendeiner wichtigen Tätigkeit nachgehen (Kneipentour, Kippen holen, Kinder Gassi führen, etc.), muß man bei der Einsatzzentrale der Polizei anrufen, die einem daraufhin einen Beamten zur Seite stellt, der einen begleitet.
Hat man gar das Pech, in einer Straße zu wohnen, die der Papst (hat Ben eigentlich auch so ein rollendes Gewächshaus?) auf seiner Tour zu nehmen geneigt ist, wird einem sogar ein persönlicher Bulle in der Bude platziert, damit man nicht auf dumme Gedanken kommt (winken, vor Ehrfurcht auf die Knie fallen, in fremden Zungen reden, etc.).
Wer zahlt den Unsinn? Einmal raten reicht, glaube ich ...


Wie bereits im ersten Teil dieses Reports (hier) beschrieben, sind auf der anderen Seite die im Zuge des WJT angeworfenen Geldmaschinen bereits im vollen Gange, selbst Buchläden verkaufen bereits "WJT-Sitzkissen", ein plattes Plastikmättchen mit einer Schicht Alu auf der Unter- und dem unverzichtbaren Logo auf der Oberseite - Kostenpunkt für diesen Pfennigartikel: 6 Euro.
Auf den ersten Blick mag es uns da etwas komisch vorkommen, liest man folgende Schlagzeile: "Ordnungsamt greift drakonisch durch: Keine "Fliegenden Händler" am Weltjugendtag" (Link). Da trotz allem mit schwarzen Schafen gerechnet wird (und das nicht zu knapp), hat die Stadt sogar "in Deutz zusätzlich drei Lagerorte zur Unterbringung der konfiszierten Güter gemietet." (wer bezahlts?). Nur am Rande: drakonisch ist ganz und gar unchristlich, die von Drakon erlassenen Gesetze (klassisches Griechenland) stammen von 621 vor Christus. Darüber hinaus sind "drakonische" Strafen nicht nur hart, sondern per definitionem auch hartherzig und gewissenlos, aber das nur am Rande (Link).
Wer jetzt also meint, die durch das blutrünstige Ordnungsamt durchgesetzten Vorschriften würden dem Konsumvorwurf den Wind aus den Segeln nehmen, hat nur soweit gedacht, wie zwischen seiner Stirn und dem Brett davor Platz ist: natürlich sollen nicht Verkäufe generell unterbunden werden sondern nur die, wo der WJT, die Kirche und andere Raffzähne nicht die Kralle aufgehalten haben - in Form von Konzessionsgebühren.

Besser ist es natürlich, den Devotionalienmüll ohne Umwege direkt an das dumpfgläubige Volk zu verschachern - der Fantasie bei der Gestaltung der Unsäglichkeiten ist da keine Grenze gesetzt. So vertickt der WJT-Shop eine "WJT Adressbuch" (s. rechts) und erdreistet sich noch zusätzlich, diesen Schwachsinn mit einem Slogan zu versehen, der selbst dem dümmsten Katholiken die Tränen in die von Weihrauch rotgeränderten Augen treiben muß: "So wird der Weltjugendtag ein unvergessliches Erlebnis! Bewahren Sie Ihre Kontakte im WJT-Adressbuch.". Super Idee. Bitte, liebes WJT-Konsortium, bastelt mir doch schnell die XXL-Edition des Abdressbuchs zusammen, damit ich die ganzen Telefonnummern, die mir sicherlich von läufigen Jungchristinnen im Dutzend zugesteckt werden, noch verwalten kann. Ich habe nämlich noch kein Adressbuch, auch mein Handy, das mir bisher zur "Bewahrung" meiner Kontakte immer gereicht hat, wird die Flut von Kontaktdaten bestimmt nicht verkraften können, wenn ich mich erstmal mit 900.000 anderen Vollidioten Arm in Arm in höhere Sphären geschunkelt habe. JA!
Und wem das noch nicht reicht, kann sich im keine Peinlichkeit auslassenden WJT-Shop direkt noch das Zubehör für einen post-eucharistischen Vollrausch bestellen: WJT-"Qualitätswein DOM Riesling trocken" für 6 Euro die Pulle - immerhin ein Schnäppchen verglichen mit dem völlig überteuerten Sitzkissen oder einem Kleinwagen. Mir fehlen die Worte.


Allerdings ist der WJT-Konsumterror nicht das einzige, was sich findige christliche Geschäftsleute (eine von den Christen eigentlich den Juden zugeschobene und dabei negativ belegte Eigenschaft) aus den Fingern saugen. Die poppigen "Sweet XVI. / long live the pope" T-Shirts (s. rechts) bestechen durch augenfälliges Pop(e)-Appeal und machen die öffentliche Verehrung eines religiösen Hampelmanns mit Ansichten aus der Steinzeit gesellschaftsfähig. Da braucht sich garnicht mehr hinter schweren Kirchentüren versteckt werden, da werden die Titten rausgestreckt und konfessionell Flagge gezeigt! Naja, dass die Titten dann bis zur Hochzeit schön sauber verpackt bleiben, versteht sich natürlich leider auch von selbst.


Aber Scheiße nochmal, kommt einfach alle zum Weltjugendtag nach Köln, hier werdet ihr gemolken, bis das Leibchen qualmt.
Allerdings gebe ich euch noch eine Warnung mit auf den Weg: laßt euch bloß nicht vom schein-heiligen Vater persönlich einladen! Der hat nämlich Giovanni "habe fertig" Trapattoni nach Köln bestellt, da dieser "Förderer der Jugend und bekennender Katholik" ist. "Papst Benedikt XVI. hat den Trainer des VfB Stuttgart eingeladen, am 17. August zum Weltjugendtag in Köln zu kommen." heißt es da und Giovanni frohlockt schon jetzt (in Sport-Bild) "Ich freue mich sehr über das Treffen mit dem Papst." (Link).
Tja, reingelegt. Da wird Trappatoni wohl wie Flasche leer am Tresen hängenbleiben, wenn er der Einladung des hinterhältigen Popen folgt und am 17.8. zum WJT kommt: der Papst selbst wird nämlich erst am 18.8. dort eintreffen ...



Ich brauche keinen WJT-Tinnef, auch keine Kerze, kein Alu-isoliertes Sitzkissen, kein neues Adressbuch, keinen "Fashion-Hat" (eine extrem häßliche Kopfbedeckung mit WJT-Logo), keinen DOM-Wein, kein "Lanyard" (so nennt man jetzt Schlüsselbänder und beschreibt sie als "multifunktionales Accessoire mit hohem Gebrauchsnutzen"), keine Hissflagge und erst recht kein Papst-T-Shirt, mir reicht ein Namensschild:



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... wir haben mal wieder alles richtig gemacht.

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jrose



Beiträge: 2736

Titel: (Kein Titel)
Verfasst am: Di, 16 Aug 2005, 20:04
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Das nächste Interview, der nächste Mann mit Durchblick meldet sich gekonnt zu Wort: Kardinal Lehmann gibt sich volksnah.

spiegel.de gab folgendes von sich:
Kardinal Lehmann forderte in einem WDR-Interview, die katholische Kirche müsse ihre Haltung überdenken. Sie laufe sonst Gefahr, in einem wichtigen Bereich des menschlichen Lebens nicht mehr gehört zu werden und abgemeldet zu sein.

Da ist man doch fast geneigt zu glauben, es gäbe nicht nur Holzköpfe in der oberen Riege der Katholen, fast könnte es den Anschein haben, als spiele da jemand um seinen Job ... aber eben auch nur fast, denn folgendermaßen geht es weiter:

spiegel.de gab folgendes von sich:
Es sei nötig, die Begründung für die Verbote plausibler zu machen.

Puuh, Entwarnung, doch alles beim Alten!
Natürlich soll die katholische Kirche ihre Einstellung zur Sexualität nicht einem Stand anpassen, der vielleicht dem von vor 100-200 Jahren nahekommt und damit schon fortschrittlicher wäre als alles, was bisher verzapft wurde, nein, es müssen einfach nur die Verbote besser erklärt werden.

Und ich war schon fast geneigt, an ein Wunder zu glauben.
Aber eben auch nur fast ...

Links: spiegel.de und presseportal.de


____________
... wir haben mal wieder alles richtig gemacht.

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