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boris
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Titel: Stanislaw Lem - Der Flop
Verfasst am: Sa, 08 Apr 2006, 10:44 |
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Stanislaw Lem - Der Flop
Nach Lems Tod letzte Woche habe ich direkt nochmal etwas Ungelesenes von ihm aus der Ecke ge- und mir reingezogen.
Die Ausgabe war auch nicht unkurios: als "Roman-Zeitung" 1986 im DDR-Verlag "Volk und Welt erschienen", schlechtes Papier, das Cover kaum dicker als die Seiten und der Text zweispaltig, wie bei einem Groschenroman ... naja, der Preis von 80Pf legt diese Bezeichnung auch für "Der Flop" nahe, billig ist allerdings nur die Aufmachung meiner Ausgabe.
Zum Inhalt:
Ijon Tichy kehrt vom Mond zurück und hat eine Kallotomie erfahren, die Trennung seiner beiden Gehirnhälften. Das heißt für ihn, daß sein rationaler Teil, die linke Gehirnhälfte, die den rechten Körperteil steuert, recht normal zu kontrollieren ist, seine linke Körperhälfte wird allerdings von der emotionalen rechten Gehirnhälfte gelenkt, so daß er unvermutet auch schonmal jemandem eine scheuert, obwohl er das garnicht wollte.
Da die rechte Hirnhälfte leider auch die Erinnerungen beherbergt, bringt er ihr die Gebärdensprache bei, um sich mit ihr zu unterhalten, aber die rechte Hälfte will nicht so richtig herausrücken ...
Alles in allem geht es um eine Mondexpedition: sämtliche Waffensysteme sind auf den Mond ausgelagert worden, um die Erde zu befrieden. Jede Nation hat ihre System auf ein Gebiet des Mondes gebracht, wo sich die Systeme selbst weiterentwicklen und testen. Langsam kommt allerdings Paranoia auf, daß der Mond sich soweit verselbständigt, daß er die Erde angreifen könnte ... hier kommt Tichy ins Spiel, er soll auskundschaften, was auf dem Mond los ist, nachdem schon einige Expeditionen gescheitert sind.
Nach seiner Rückkehr befindet er sich in dem beschriebenen Zustand und rekonstruiert und langsam, was ihm passiert ist - auch scheint er etwas vom Mond mitgebracht zu haben, und die verschiedensten Gruppierungen liefern sich ein Gefecht von Täuschungen und Gegentäuschungen, um an sein Wissen zu gelangen.
In typischer Lem-Manier gehts hier zur Sache: unglaublich fundiert, intelligent und humorvoll beschreibt er seinen "Helden", dessen Leiden und die Mission. Immer wieder gibt es Abschweifungen in die Welt von Morgen, z.B. wie die für die Missionen entwickelten "Sendlinge" (Maschinen, meist in Menschenform, die von einer Person ferngesteuert werden, wobei diese sich durch Komplettverdrahtung "in" dem Sendling befindet) für sexuelle Praktiken kommerzialisiert werden.
Die Story ist hintergründig und weist eine erstaunliche Treffsicherheit auf, was die Prognosen für die Zukunft angeht. Wenn wir wohl auch mit dem Ende der Geschichte in dieser Form in der Wirklichkeit nicht rechnen müssen, ist es überraschend, was Lem aus den damals (vor 20 Jahren) möglichen Technologien herausliest.
Fazit:
Ein klassischer Lem, detailliert und fundiert, allerdings nicht so ausufernd wie z.B. "Eden" oder "Die Astronauten", in denen er Welten so genau beschreibt, daß man mit seiner Vorstellungskraft kaum nachkommt. "Der Flop" ist dagegen handfest und interessant, ohne zuviel technisches Heckmeck. Auch die Wortschöpfungen sind mal wieder grandios, Lem beweist in jeder Hinsicht seine absolute Meisterschaft auf seinem Gebiet - auch die Verschwörungen und Täuschungen hätte Dick kaum besser hinbekommen (und der war ja naturgemäß eher Spezialist dafür).
Wer auf SF und/oder Lem steht: lesen !
____________ beehave - home of humbug ... [we can't afford to be neutral]
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