Imre Kert�sz - Roman eines Schicksallosen

boris · Beitr�ge: 11190

Story: Imre Kert�sz wird 1944 aus seiner Heimatstadt Budapest nach Auschwitz deportiert und 1945 in Buchenwald befreit. In "Roman eines Schicksallosen" erz�hlt er die Zeit von der "Abholung" seines Vaters, seiner eigenen Deportation, seiner Zeit in Auschwitz und Buchenwald - zum Teil im Krankenlager - von seiner Befreiung und der R�ckkehr nach Budapest.

Das Buch steht auf der Liste der 1000 B�cher, "die man gelesen haben sollte", auf jeden Fall hat Kert�sz 2002 den Nobelpreis f�r Literatur erhalten, der Spiegel nennt das Buch ein "literarisches Meisterwerk", weiter hei�t es im Klappentext: "Imre Kert�sz ist etwas Skandal�ses gelungen: die Entmystifizierung von Auschwitz. Es gibt kein literarisches Werk, das in dieser Konsequenz, ohne zu deuten, ohne zu werten, der Perspektive eines staunenden Kindes treu geblieben ist."
Eins muss man zugeben: Die �u�erst ungewohnte Perspektive des Erz�hlers, der die beschriebene Zeit ja tats�chlich erlebt hat, hat etwas f�r sich, ist allerdings auch befremdlich, weil man die ganze Zeit die Bilder der Lager im Hinterkopf hat. Vielleicht ist es eine gute Sache f�r den Autor, auf die beschriebene Art und Weise mit den Erlebnissen umzugehen und diese als "Schicksal" zu bezeichnen, das ihm zustie�, und in dem er sich "verhielt" - das ohne Wertung zu beschreiben ist schon ein menschlich gro�artige Leistung.
Auf der anderen Seite ist die sogenannte "Entmystifizierung" f�r den Leser seltsam, denn immer liegt der Gedanke "war doch alles nicht so schlimm" nah, auch wenn dieser vom Autor nat�rlich nie ge�u�ert wird und tats�chlich von Morden und Krematorien die Rede ist - im Endeffekt ist zumindest der Erz�hler aber relativ unbeschadet aus der Sache herausgekommen und gibt durch seine fehlende Wertung auch nicht wirklich Anlass zur Aufregung.

Zum Stil: Es ist eben nicht so, dass der Erz�hler "der Perspektive eines staunenden Kindes treu geblieben ist". Anf�nglich ist die Erz�hlweise etwas befremdlich, aber legt man zugrunde, dass ein 15-J�hriger in Tagebuchform seine Erlebnisse darlegt, passt es ins Bild - wenn es auch recht anstrengend zu lesen ist und nicht wirklich Spa� macht, der Handlung zu folgen. Wir sind hier noch weit davon entfernt, bei den Lagern anzukommen - als es dann aber soweit ist, �ndert sich der Schreibstil extrem, es werden endlose Schachtels�tze und m�chtig prosaische Formulierungen verwendet, die angesichts des Alters der Figur schlichtweg nicht glaubhaft sind.
Und noch etwas zum Inhalt: Es ist klar, dass Kert�sz schlussendlich die Konfrontation mit den Menschen seiner Stadt beschreibt, zun�chst dem Journalisten, der nicht verstehen kann, dass der Zur�ckgekehrte partout nicht von "Gr�uel" reden m�chte, dann die Nachbarn, die sich durch die Erz�hlung des Jungen in die Ecke der "Schuldigen" angesichts des Schicksals gedr�ngt sehen. Nur: In der Mitte der Erz�hlung scheint Kert�sz auf dem Weg zu dieser Konfrontation am Schluss schlichtweg die Puste auszugehen, im letzten Drittel, in der er haarklein beschreibt, wer alles in sein Krankenzimmer kommt, was er macht und welche Sprache er spricht, wird es einfach nur sehr, sehr, sehr langweilig und reizt oft zum Abbruch der Lekt�re.

Fazit: Die Form der Beschreibung des Erlebten mag literarisch eine au�ergew�hnliche sein, aber - wie so oft - geht damit nicht zwangsl�ufig einher, dass damit auch f�r den Leser ein interessantes Leseerlebnis herauskommt, vor allem weil der Wechsel des Stils die Glaubw�rdigkeit der Perspektive zus�tzlich arg untergr�bt. Wie auch schon bei anderen Nobelpreistr�gern war offenbar auch hier wieder die Form vorrangig Gegenstand der Bewertung. Ich g�nne dem Autor seine au�ergew�hnliche Bew�ltigung einer bestimmt nicht einfachen Zeit, literarisch schwankt meine Reaktion allerdings zwischen "arg befremdet", "ver�rgert durch Unglaubw�rdigkeit" und "sehr gelangweilt".