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[TXT] Magic Cee - Das Verhalten der mitteleuropaeischen Anwe
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Der Archivar



Beiträge: 160

Titel: [TXT] Magic Cee - Das Verhalten der mitteleuropaeischen Anwe
Verfasst am: Mo, 04 Apr 2011, 19:31
Beitrag
Antworten mit Zitat

Autor: Magic Cee
Datum: 1991

Code:
==============================================================================
=====      Der Anwender - Ein Dokumentarbericht =====
==============================================================================

Wie jedes Jahr, wenn die kalte Jahreszeit Einzug haelt, so beobachten wir auch
heuer wieder eine gesteigerte Aktivitaet der maennlichen Vertreter von
mitteleuropaeischen Anwendersippen bei der Balz um das zu begattende Daten-
banksystem.

Vielfaeltig und wunderbar ist das erste zarte Werben um den Zielcomputer, mit
dessen Hilfe der Fortbestand der sippeneigenen Datenbestaende gesichert werden
soll. Sind die sozialen Bindungen vor und nach der Brunftzeit eher spaerlich -
der Anwender ist fast ausnahmslos Einzelgaenger - so erlebt der aufmerksame
Beobachter waehrend der Brunftzeit des Anwenders die Wandlung vom autonomen
Individuum zum Mitglied einer Gemeinschaft, deren gesellschaftliche Strukturen
denen einer modernen Demokratie nahe kommen.

Wie auf ein verabredetes Zeichen hin treffen sich die Anwender in verschieden-
en Bereichen eines Datenbanksystems, um dort gemeinsam zu jagen und Hochzeit
zu halten. Von ihnen als Feinde erkannte Daten und deren Verursacher werden
vom Rudel sofort angegriffen, wobei zur Verwirrung des Angreifers Texte unter-
schiedlicher Laenge ausgestossen werden. Dieses Zusammenrotten der staerksten
Rudelmitglieder zeigt Wirkung: viele Angreifer ziehen sich augenblicklich zu-
rueck und werden auch noch nach dem Verschwinden durch Textmarkierungen von
weiteren Uebergriffen auf das Datenrevier abgeschreckt.

Natuerlich kommt es dann und wann auch zu Aggressionen gegen Angehoerige des
eigenen Rudels; vornehmlich dann, wenn ein bis dato recht stiller Vertreter
versucht, die Fuehrung zu uebernehmen. Einem Systemoperator aus Koeln gelangen
vor kurzem einmalige Mitschnitte eines solchen Wortgefechtes beim Kampf um die
Position des sogenannten \"Alpha-Anwenders\", so dass heute detaillierte Studien
ueber den bis dahin noch nie zuvor dokumentierten Vorgang vorliegen.

Solche Machtkaempfe finden in dafuer eigens eingerichteten Plaetzen des Wirts-
systems statt und bewegen sich bisweilen auf hohem literarischen Niveau, wo-
bei jedoch auffaellt, dass der Status des Alpha-Anwenders nur selten an den
Angreifer uebergeht. Dieser hat nach einem solchen, zumeist recht heftigen,
Kampf schwere Datenverluste davongetragen und zieht sich im Anschluss daran in
sein privates Postfach zurueck, um die geschaedigten Partitionen neu zu
formatieren. Es kommt aeusserst selten vor, dass der Angreifer aus dem System
geloescht wird, doch berichteten mehrere Experten unabhaengig voneinander von
dem sogenannten \"Relogin\"-Verhalten.

Bei dieser Taktik versucht der Unterlegene, unter einem anderen Namen weiter-
hin das System benutzen zu koennen, ohne jedoch die Schande der Niederlage
permanent vor Augen gefuehrt zu bekommen. In England wurde ein Fall exzessiven
Relogins bekannt, bei dem der betroffene Anwender sich schliesslich selbst
Texte schrieb, ohne dieses jedoch zu bemerken. Die Inhalte jener Publikationen
wurden immer polemischer; schliesslich loeschte der Anwender sich selbst.

Der typische Anwender Mitteleuropas laesst sich schwer charakterisieren, da
sich ein jeder Vertreter dieser Gattung die meiste Zeit mit sich selbst
beschaeftigt und somit seine Persoenlichkeitsformung auch selbst vornimmt. Die
am meisten verbreitete Eigenschaft ist das stille Aufnehmen von Daten jedweder
Art ohne Steigerung der eigenen Produktivitaet. Dieses parasitaer-unsoziale
Verhalten kann systembezogen durch die Formel \"LESEN *\" beschrieben werden;
man spricht hier auch vom \"Saugverhalten\" des Anwenders. Diese Naturkonstante
erreicht bei einigen Anwendern naeherungsweise Unendlich. Dennoch werden diese
Vertreter, im Gegensatz zu anderen Arten, nicht von der Gemeinschaft
verstossen, sondern bilden vielmehr eine nicht zu unterschaetzende Saeule des
Zusammenlebens, in dem einige von ihnen wichtige Daten zur Eroberung von
Fremdsystemen einsetzen.

Einige wenige Anwender haben sich im Laufe der Evolution zu Datenproduzenten
entwickelt, die in breitgefaecherter Art diese unter den restlichen Sippen-
angehoerigen verteilen. Die Quantitaet solcher Datenpakete reicht von einigen
wenigen Bytes, die zumeist direkt gefressen werden, bis hin zu kompletten
Artikeln vom Umfang eines Taschenbuches, welche zumeist von den anderen
zwischengespeichert und im Fall von Datenarmut, zumeist in der kalten Jahres-
zeit, verzehrt werden. Die Qualitaet eines solchen Datenpaketes entscheidet
darueber, ob sie permanent auf Datentraeger mit sich gefuehrt werden oder ob
sie nach dem Genuss den Weg alles Irdischen gehen.

Bevor der Anwender sich einem Datenbanksystem anschliesst, erfolgt bisweilen
eine laengere Phase der Beobachtung dieses Systems unter den Gesichtspunkten
Nahrungsangebot, Reviergroesse, sowie dem moeglichen Befehlsvorrat. Sagen ihm
die Gegebenheiten zu, erfolgt eine erste Kontaktaufnahme mit dem Systemopera-
tor, welcher in seiner Funktion der eines Forstbeamten entspricht. Er hat die
Aufgabe, das Revier von verendeten Nachrichten zu saeubern, sowie die in
andere Systeme abgewanderten Anwender aus dem Revierzustandsbericht zu
entfernen.

Gestattet der Operator dem Neuling den Zutritt, so steht dieser zunaechst ganz
unten in der Anwenderhierarchie, kann sich jedoch durch fundierte
Aeusserungen, vornehmlich zu schwierigen Problemen, stetig hocharbeiten, wobei
es jedoch mit hoeheren Angehoerigen zwangslaeufig zu Konflikten kommt, welche
dann in der bereits dargestellten Form ausgetragen werden. Zumeist jedoch
bemuehen sich Neulinge, aber auch aeltere Anwender, ihr Saugverhalten zu
steigern, sofern das Niveau des Wirtssystems dies fuer erforderlich erscheinen
laesst. Durch dieses angeborene Verhalten des Anwenders wird der Datenkollaps
des Systems auf natuerliche Weise verhindert; ein sprunghafets Ansteigen des
Datenbestandes wuerde das System traege und somit uninteressant machen. Dieses
Phaenomen ist vornehmlich bei Systemen zu beobachten, die mit anderen Systemen
eine Datensymbiose eingegangen sind: durch die tagtaegliche Flut neuer Daten
fuehlt sich der Anwender ueberfordert, diese intellektuell verarbeiten zu
koennen. Die Folge sind abnehmende Lese- und Schreibtaetigkeit, Desinteresse
an Neueintraegen und eine extrem kurze Systemverweilzeit. Schliesslich stirbt
in vielen Faellen der Anwender den Datentod; gerade traege Anwender mit einer
Aufnahmegeschwindigkeit kleiner als 240 Zeichen pro Sekunde sind hiervon
betroffen.

Ein weiteres Phaenomen ist in diversen Veroeffentlichungen eingehend dokumen-
tiert worden: der sogenannte \"Jojo-Effekt\". Es handelt sich hierbei um die
bislang ungeklaerte Eigenschaft mancher Anwender, innerhalb kuerzester Zeit
eine unglaubliche Menge an neuen Daten zu produzieren und dann wieder fuer
laengere Zeit komplett zu schweigen oder den Saugfaktor zu erhoehen. In einem
Koelner Datenbanksystem lieferte ein derartiger Fall, unter dem Namen
\"Ceee-Effekt\" bekanntgeworden, genuegend Material fuer eingehende Forschungen.
Erklaerungen konnten jedoch noch nicht geliefert werden, da die Analysen hier
noch am Anfang stehen. Auch sind die Forscher in verschiedene Lager gespalten:
manche begruenden den \"Jojo-Effekt\" mit der Notwendigkeit, nach exzessiver
Datenproduktion eine Phase mentaler Regeneration einlegen zu muessen; andere
hingegen stehen auf dem Standpunkt, dass es sich hierbei schlicht um Faulheit
handelt. Man wird abwarten muessen, was die zukuenftigen Forschungen ergeben.

Das aeussere Erscheinungsbild des Anwenders ist wenig spektakulaer; lediglich
die Datenproduzenten des Rudels erscheinen dem Betrachter mit ihrer blassen,
fast durchsichtigen Haut und den zurueckgebildeten Sehorganen - beides
Nebenerscheinungen des permanenten Mangels an Tageslicht - ein wenig
aussergewoehnlich. In extremen Faellen fuehrt eine ploetzliche Praesenz von
Tageslicht und frischer Luft zum Tode des Anwenders; zumindest ruft sie ein
starkes Unwohlsein hervor.

Im Laufe der Entwicklung passte sich der Anwender seiner Umgebung in einer
perfekten Art und Weise an. Nicht benoetigte Gliedmassen, wie Fuesse und
Beine, bildeten sich zurueck, ebenso - bis auf wenige Ausnahmen - die gesamte
Muskulatur. Dieses gleicht sich durch eine extreme Beweglichkeit der Finger
aus, mit der das angeborene Tastaturorgan in manchen Faellen mit unglaublicher
Virtuositaet bedient wird; dieses Organ dient vornehmlich der Datenproduktion.
Bei der Aufnahme der Nahrung stellt man weiterhin verkuemmerte Kau- und eine
gesteigerte Schlingfunktion fest. Der Speiseplan des Anwenders ist wenig
abwechslungsreich im Hinblick auf ausgewogene Ernaehrung: er beinhaltet
zumeist nur wenige Komponenten, wie Kaffee, Pizza und Hamburger. Nach der
Aufnahme der Nahrung erfolgt bisweilen eine rituelle Tabaksverbrennung, wobei
jedoch bei einigen Vertretern diese Tradition exzessiv zu jeder Gelegenheit
zelebriert wird.

Verstaendlich macht sich der Anwender durch einen eigentuemlichen Gebrauch von
sogenannten \"Hochsprachen\", wobei regional eingefaerbte Dialekte das
Verstaendnis einzelner befreundeter Sippen untereinander bisweilen erschweren.
Die am haeufigsten verwendeten Sprachen sind \"C\", \"PASCAL\", \"MODULA II\" und
eine Ursprache namens \"ASSEMBLER\", welche noch aus den Anfaengen des digitalen
Zeitalters stammt. Obwohl fast alle diese Sprachen einen geringen Wortschatz
aufweisen, sind die Moeglichkeiten der Kommunikation erstaunlich, wenn auch
bisweilen recht muehselig, da starre grammatikalische und syntaktische Reglen
beachtet werden muessen, was das Erlernen recht schwierig machen kann. Der
Einsatz von sprachspezifischen Sonderzeichen ist ein weiteres Hindernis.
Sollten Sie einmal in die Verlegenheit kommen, einen \"C-Anwender\" kennenzu-
lernen, so koennen Sie durch die Aeusserung

main()
{
 printf(\"Hallo!\");
}

erste Hemmschwellen abbauen. Doch Vorsicht - sobald der Anwender merkt, dass
Sie seine Sprache beherrschen, muessen Sie mit einem exzessiven Datentransfer
rechnen, der u.U. auch rein unidirektional gerichtet sein kann. Sollte im Ver-
lauf eines solchen Transfers Ihr Kurzzeitgedaechtnis ueberlaufen, so koennen
Sie den Anwender durch Zuruf von \"CONTROL ES\" veranlassen, mit seinen Aus-
fuehrungen zu pausieren; der Befehl \"CONTROL KUH\" startet den Datenfluss dann
wieder. Wenn das behandelte Thema Ihr Interesse nicht wecken kann, so rufen
Sie dem Anwender \"CONTROL IKS\" zu; er wird sich dann ein neues Thema ausden-
ken. Beendet wird die Kommunikation durch Zuruf von \"LOG OFF\", wobei der
Anwender Sie dann fragt, ob das Gespraech tatsaechlich beendet werden soll.
Antworten Sie mit ja, dann teilt Ihnen der Anwender in den meisten Faellen
noch die Dauer des Gespraeches sowie die Anzahl uebermittelter Zeichen mit.

Soweit also unser Ausflug in die Welt des Anwenders, der eventuell offene Fra-
gen geklaert hat. In der Hoffnung, Sie nicht allzu sehr gelangweilt zu haben,
verbleibe ich bis zum naechsten Male


Prof. Dr. Magic Ceee
Hirnanalytiker und Commodore-Werksphilosoph

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