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boris
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Titel: Knut Hamsun - Hunger
Verfasst am: So, 15 Feb 2009, 14:16 |
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Knut Hamsun - Hunger
Auf Hamsun (Norweger, 1859-1952) kam ich über Hesse, da ersterer vom letzteren irgendwo mal lobend erwähnt wurde - und nicht nur von ihm: "1920 wurde er mit dem Nobelpreis bedacht, namhafte Persönlichkeiten seiner Zeit, darunter Albert Einstein, Hermann Hesse, Robert Musil und Bertolt Brecht hielten viel auf ihn" (Quelle).
Erst nachdem ich das Buch beendete hatte habe ich mir etwas über Hamsun durchgelesen, z.B. hier und auch vorgenannte Quelle. Dort ist über die spätere Lebenszeit Hamsuns nicht nur Gutes zu berichten: "Zur Zeit des Nationalsozialismus bezog er öffentlich für die Politik Hitlers Stellung." aber auch: "1943 war er bei Hitler auf dem Obersalzberg zum Tee eingeladen und brüllte seinen Gastgeber an wegen des unhaltbaren Regiments, das Terboven in Norwegen u.a. mit Geiselhinrichtungen, führte: 'Wir ertragen das nicht mehr!' Reichspressechef Otto Dietrich erinnerte sich später daran und meinte, er hätte nie erlebt, dass jemand Hitler so wiedersprochen hätte wie Hamsun."
Wie auch immer, das nur der Vollständigkeit halber - meine Entscheidung, das Buch zu lesen, hätte ich wohl trotzdem gefällt - daher zum Buch:
Hamsun schreibt hier autobiografisch und erzählt von der Zeit, als er sich (mehr schlecht als recht) mit dem Schreiben von Artikeln durchschlug. Der Ich-Erzähler wird geplagt von ständigem Hunger und hat seinen Körper so ausgezehrt, daß er kaum noch Nachrung bei sich behalten kann.
Er schreibt seine Artikel und schleicht durch die Stadt, immer auf der Suche nach einer Möglichkeit, zu Geld zu kommen und sei es nur dadurch, daß er buchstäblich sein letztes Hemd versetzt. Dabei geht er moralisch sehr gewissenhaft vor, und ist rücksichtslos nur gegen sich selbst. Seine Bemühungen, den schönen Schein zu waren, treiben ihn mehr und mehr in Verzweiflung und Irrsinn.
(Die auf dem Buchrücken angekündigten "erotischen Zwangsvorstellungen" kommen zwar vor, sind aber auf ein paar wenigen Seiten abgehandelt und haben mit "Erotik" nicht primär zu tun. Aber dtv will ja Bücher verkaufen ...)
Die minutiöse Demontage des Protagonisten ist spürbar schmerzhaft real und authentisch beschrieben. Die ständigen neuen Kniffe, die er sich ausdenkt, um ja das Bild des ehrenwerten Bürgers zu wahren, das er gerne von sich vermitteln möchte (und das lange verblaßt ist), seine Einbildungen und Halluzinationen sind unglaublich.
Selbst wenn man dieses unaufhaltsame Abrutschen in den Wahnsinn selbst erlebt hat, ist es eine grandiose Leistung, diese Vorgang auf diese geniale Art und Weise literarisch festzuhalten. Man leidet jede Sekunde mit - eine bessere Wirkung kann man einem Buch wohl nicht nachsagen.
Der etwas "altertümliche" (aber mitnichten störende) Stil der Sprache erklärt sich von selbst: das Buch ist von 1890.
Ich habe selten ein Buch gelesen, daß so schonungslos und echt die Besessenheit eines Menschen beschreibt. (Ein anderes (hervorragendes) Beispiel ist "Der Dämon" von Hubert Selby (Autor von "Letzte Ausfahrt Brooklyn", was ebenso genial ist).)
Also: absolute Empfehlung !
____________ beehave - home of humbug ... [we can't afford to be neutral]
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