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[TXT] Georg Mayer - Weltenwanderer II
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Der Archivar



Beiträge: 160

Titel: [TXT] Georg Mayer - Weltenwanderer II
Verfasst am: Do, 18 Okt 2007, 19:37
Beitrag
Antworten mit Zitat

Herkunft: Münchner Mailbox Presse
Autor: Georg Mayer

Code:
Gefunden in: Die Muenchner Mailbox Presse
Titel......: Weltenwanderer II
Autor......: Georg Mayer
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                          Weltenwanderer II
                          =================

Ein  einsamer Felsen, auf dem du stehst, von dem aus du in die weiten
Taeler  blickst,  hinab  auf  die  Waelder  und Wiesen, hinab auf das
wertlose  Gehetze  der  Menschen, die dumme Eile, die dir keinen Sinn
offenbart,  denn du bist hier, ruhig, einsam, ein Felsen.  Uralt sind
die   Gedanken,   die  du  denkst,  wortkarg  bist  du  geworden  und
nachdenklich,  deine  Stimme hat dich selbst entsetzt, als du aus ihr
den Menschen sprechen hoertest, der du nicht mehr sein wolltest.  Ein
einsamer Felsen, ein einsamer Mensch, mehr ist es nicht.

Dein  schwarzer  Umhang  ist  grau geworden, mit den Stuermen und dem
Regen  der  Zeitalter und er ist nicht der erste den du traegst, aber
sicher  auch  nicht  der  letzte, denn noch bist du die Wege nicht zu
Ende  gegangen, hast sie nicht alle abgeschritten.  Grau bist du auch
selber  geworden, dein Gesicht wirkt eingefallen, die Zuege verblasst
und nur aus deinen Augen flackert ein uraltes, beaengstigendes Licht,
das keinen Namen kennt.  So stehst du auf dem Felsen, gebadet im Wind
und wieder schweifen deine Gedanken und Traeume weit ab, schweifen in
die  Vergangenheit  und  in  die Zukunft, tanzen in deinem engen Hirn
einen  leisen,  traurigen  Tanz.   Wie  schoen  es doch hier ist, wie
erfuellt  und zugleich leer der Himmel ist, ein sattes Blau, ein paar
kleine  Wolken  und  tief darunter, weit unter dir, der du dem Himmel
naeher scheinst als der Erde, die gruenen Felder.  Und trotzdem sinkt
die Sonne.

So  wandelt  sich  das  Blau  in  ein  blutiges Rot, in den Boten der
Dunkelheit,  der Nacht, die alles in sich aufsaugt, denn sie schlingt
die  Gestalt  der  Dinge  in  sich,  laesst  ihre  Formen verbalssen,
schlaegt  das  Auge,  indem  es  ihm  die  Bilder nimmt, die es sehen
koennte.    Wie  schwach  ist  doch  so  ein  Auge,  wenn  die  Nacht
hereinbricht,  wie  stark muessen da die Haende sein, wenn sie gierig
nach  Halt  tasten und verzweifelt versuchen, die Gestalt zu erahnen,
die sie beruehren.

So  ist es immer, immer wenn die Sonne sinkt, wenn aus den Farben und
Formen  Dunkelheit  wird  und  sie  fuer eine Nacht vergessen liegen.
Irgendwo,  weit  weit  entfernt,  unten auf dem Grund, da blitzen die
ersten Lichter auf und du laechelst ueber die schwachen Menschen, die
Lichter  brauchen,  um zu sehen, die die Haende vergessen haben um zu
be-greifen.   Sie  habe  das  Licht gefangen genommen und begonnen zu
vergessen,  sie  haben Strassen erbaut und vergessen durch die Felder
zu  laufen,  sie haben die Haeuser erhoben und den Regen vor die Tuer
verbannt,  irgendwann haben sie dann auch sich selbst vergessen, sind
vor  den bunten Bildern ihrer toten Traeume eingeschlafen und niemals
mehr aufgewacht.  Wie hell und farbenfroh die Welt doch ist.

Ein  Adler zieht seine letzten Kreise, sinkt nieder auf die Felswand,
wo  er  sein  Nest gebaut hat und verschwindet aus deinem Blick.  Die
Zeit der Adler ist vorueber, jetzt ist die Zeit fuer die Feldermaeuse
gekommen,  die  sich  in  die  Luft schwingen und schreien, damit sie
sehen  koennen.   Welch  ein Spiel!  Wozu hat man das Leben erfunden,
wenn es schreit und schlaegt und immerzu im Licht badet, wozu?

Dort  unten  wird  mit der Sonne das Leben wiederbeginnen, werden sie
aus  den  Betten  steigen  und  zur  Arbeit  gehen,  werden  eine Tag
verbringen,  ohne sich selbst darin zu sehen, ohne einen Blick in den
tiefen  Schlund  ihrer Seele zu werfen und dann gehen sie wieder nach
Hause,  an einen Ort, einen Fleck, mit dem sie durch Geburt verbunden
sind  und langweilen sich, bis die Sonne sinkt, langweilen sich, weil
ihr  Leben  trostlos  und  einoed  geworden  ist,  einen  langen  Weg
beschreibt,  der  zum Kreis wird.  Nicht zum Kreis eines Lebens, eine
Jahres  oder eines Mondes, nein!  Zum Kreis eines einzigen, traurigen
Tages.   Sie  erstehen aus dem Schlaf, um des Nachts wieder in ihm zu
vergehen,   zerschlagen  sich  selbst  und  ihre  Traeume  mit  einer
leidenschaftlichen Wucht, die ihnen angeboren scheint.

Sie haben dich oft angeblickt, gelaechelt ueber einen, der so ist wie
du  es  bist,  der  nicht  zum  Lichte  strebt  und dir erzaehlt, wie
herrlich  ihr Leben sei, wie erfuellt und schoen, wie gross die Dinge
seien, die sie vollbringen wuerden, taeglich, immer und immer wieder.
Du  hast  ihnen  gelauscht  und  immer nur genickt, bis du nicht mehr
nicken konntest und gelacht hast.  Wie kann man nur so stolz sein auf
seine  eigene  Armseligkeit,  die  im Wohlstand gefangen liegt.  Ihre
Fesseln  sind  die  Dinge,  mit denen sie ueberschuettet werden, ihre
Herzen  sind der Pulsschlag ihrer Maschinen, die sie bedienen und sie
selbst  sind  immer auf der Suche nach denen, die anders sind wie sie
selbst,  um sie zu verlachen.  Ihren Kindern geben sie die Ziele, den
Sinn,  das  Streben,  lassen sie in diese Welt laufen, die sie selbst
verdorben haben und hoffen von ihren Sproesslingen, dass sie sie noch
naeher  an  den Untergang bringen werden.  Sinn und Un-Sinn, Ziel und
Ver-Wirrung.   Roechelnde  Worte,  gesprochen  von denen, die auf den
gepflasterten  Strassen  kriechen,  an den Steppen vorbeikriechen, in
der  sie  aufrecht gehen koennten, Sinn-Los gehen koennten, auf-recht
und frei.

Sie  haben  verlernt  zu  lachen  und  zu  schreien, zu weinen und zu
traeumen,  doch  vor  allem haben sie die Stille getoetet, die Stille
und  die  Dunkelheit, haben die Welt mit Laerm und und Licht erfuellt
und die einzige Stille die sie noch kennen, ist das Schweigen und die
einzige  Dunkelheit  die  sie  noch  finden ist die Finsternis.  Eine
verderbte Welt, sinnleer, doch nicht sinnlos.

Ihre  Worte  sind  voller Leere, doch sie sind stolz sie zu sprechen,
sie muessen sprechen immer und immerzu.

Doch  jetzt ist Nacht und die Formen verschwimmen, die Lichter in den
entfernten Haeusern vergehen schnell und bald bist Du alleine auf dem
Felsen  und  hoerst  die  Lieder des Windes.  Jeden Augenblick deines
kargen   Lebens   schaetzt  du  hoeher  als  ihre  jahrtausende  alte
Zivilisation und nur so konntest du ueber-leben.

                      Aus: Weltenwanderers Weg

                Georg (Riannon Weltenwanderer) Mayer

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