Titel: Stephen Fry - Der Sterne Tennisbälle
Verfasst am: Sa, 06 Okt 2007, 10:29
Stephen Fry - Der Sterne Tennisbälle
Von Stephen Fry hatte ich noch nie gehört, an das Buch gekommen bin ich über eine Empfehlung. Direkt vorweg: wer den Angaben auf dem Rücken des Buchs vertraut und (so wie ich) eine Komödie erwartet, rennt in die vollkommen falsche Richtung. "Ein Feuerwerk aus Slapstick und urkomischen Dialogen" mag auf ein anderes Buch von Fry zutreffen, hier paßt es überhaupt nicht.
Aber zum Inhalt: Ned Maddstone ist clever, sieht gut aus, hat eine nette Freundin - also all das, was es anderen Leuten leicht macht, ihn zu hassen. Das ruft drei "Freunde" auf den Plan, die ihm einen miesen Streich spielen, der allerdings ganz übel nach hinten losgeht.
An dieser Stelle mehr zu verraten wäre blöd (s. Spoiler) ...
Fry schreibt auf jeden Fall packend, folgerichtig und sehr gebildet. Seine Zufälle erinnern ein wenig an Paul Auster, ebenso wie der teilweise etwas "düstere" Beigeschmack, ausgedrückt durch Hoffnungslosigkeit einiger Figuren, krasse Begebenheiten und Reisen in menschliche Abgründe.
Empfehle ich das Buch also ? Schwer zu sagen, momentan würde ich eher sagen: Lest doch lieber das Original, denn "Der Sterne Tennisbälle" ist eine 1:1-Kopie eines Klassikers der Weltliteratur, was Frys schriftstellerische Leistung in meinen Augen doch erheblich schmälert. Klar muß auch eine Kopie erstmal geschrieben sein, und sein Werk ist immer noch ein gutes Buch, es hätte aber sehr gut sein können, wenn es sein Einfall gewesen wäre. Und wer den Spoiler liest, wird merken, daß es nicht nur darum geht, sich ein paar Elemente einer anderen Story "geliehen" zu haben, die Handlung ist wirklich identisch !
Spoiler:
"Der Sterne Tennisbälle" ist komplett bei Dumas' Der Graf von Monte Christo abgekupfert:
Maddstone erhält ebenfalls einen Brief, den er überbringen soll (auch auf einem Schiff), dieser Brief fällt einem Agenten in die Hände (es geht hier um geplante Anschläge), dessen eigene Mutter die Empfängerin sein sollte. (Bei Dumas ist es der Vater.) Wie im "Grafen von Monte Christo" wird alles vertuscht und der Protagonist landet für Jahre auf einer Gefängnisinsel, wo er sich ebenfalls mit einem Gelehrten anfreundet, der ihm auch Sprachen und anderes Wissen beibringt. Wie bei Dumas kann der Gelehrte die Verschwörung aufklären, die zur Inhaftierung führte, überlebt nicht, aber Maddstone kann fliehen und wie der Graf unter anderem Namen zurückkehren, nachdem er (wie der Graf) vom Gelehrten Zugang zu einem unermeßlichen Vermögen erhalten hat. Er kehrt zurück, spinnt üble Intrigen und nimmt blutigste Rache.
Der einzige Unterschied ist vielleicht das Ende, das beim Grafen von Monte Christo eher positiv und versöhnlich ist, bei Fry zwar auch ein "Happy End" ist, allerdings nicht so sehr "alles ist gut"-positiv. Und natürlich spielt "Der Sterne Tennisbälle" in der heutigen Zeit, Maddstone übt seine Macht durch seine Internet-Firma aus, das wars aber auch schon.
Gerade noch hier nachgelesen: "Ned Maddstone" ist ein Anagramm von "Edmond Dantès", dem bürgerlichen Namen des Grafen und sein späterer Name "Simon Cotter" ein Anagramm von "Monte Cristo". Die Todesarten seiner Rache sind hingegen von Shakespeare geklaut ...
Ich werde vielleicht nochmal ein Buch von Fry lesen, weil er gut schreibt - nachdem ich aber gerade die Handlung im Spoiler noch einmal zusammengefaßt habe, bin ich doch sicher: Lest lieber das Original (auch wenn das viermal so dick ist) !
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