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Kalle, P.I. - Kapitel II
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boris



Beiträge: 11152

Titel: Kalle, P.I. - Kapitel II
Verfasst am: Mi, 06 Apr 2005, 20:37
Beitrag
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Kalle, P.I.

Kapitel 2

Kalle schlief unruhig in dieser Nacht. In einem Traum sah er sich Gestalten hinterher laufen, die sich immer schneller von ihm zu entfernen schienen, je mehr er versuchte, sie zu erreichen.
Er wachte auf, hatte seine Decke aus dem Bett getrampelt und fror. Erst nach mehrfacher, ausdauernder Onanie konnte er sich halbwegs entspannen und partiell aufwärmen.
Die Kaffeemaschine schien heute ewig zu brauchen, aber endlich gab sie den lebenswichtigen Sirup von sich, den sich Kalle direkt reinstürzte, wobei er sich zünftig den Gaumen und die Zunge verbrannte. Wenigstens wach.

Der Schlachtplan stand zwar noch nicht fest, nahm aber im Laufe des Tages immer mehr Gestalt an: noch einmal würde er sich nicht von seinen Beobachtungen abhalten lassen, komme was wolle. Er war bereit, selbst einer ganzen Armee von durchgedrehten Hunden und Omas mit sich überschlagenden Stimmen entgegenzutreten, um seinem Training nachzugehen. Er machte sich Notizen:

Jasmin? Wie komme ich auf den Mist?
Es handelt sich natürlich um die Zielperson.
Plan: Beobachtungen heute früher aufnehmen als sonst. Kamera am Fenster postieren, versteckt hinter dem Vorhang, eingestellt auf den Eingang der Parfümerie.
Sichtung des Materials nach erfolgter Observation.


Kalle nickte feist und zufrieden - der nüchterne Ton seiner Vorgehensweise gefiel ihm und suggerierte ihm, Herr der Lage zu sein. Er improvisierte eine Art Stativ und platzierte seine Videokamera umständlich auf seiner Fensterbank, wo er sie unter Verwendung einer kompletten Rolle Klebeband und einem Stapel alter Bücher mehr schlecht als recht montierte. Ihm blieben noch einige Stunden, aber die Aufregung ließ ihn nicht schlafen. Er ging seinen "Plan" wieder und wieder durch, aber außer einer geänderten Uhrzeit und einer Kamera gab es keine Änderung zur täglichen Routine, so daß er die meiste Zeit damit verbrachte, die Ausrichtung der Kamera zu prüfen, das Kabel neu zu verlegen und schließlich mit noch mehr Klebeband zusätzlich zu befestigen, damit ja nichts verrutschen konnte ...

Schließlich hielt er es nicht mehr aus: er packte seine Biervorräte in einen kleinen Rucksack, schaltete die Kamera ein und rannte aus dem Haus. Auf der Straße bot sich ein gänzlich anderes Bild als sonst, die Szenerie war wie ausgewechselt, kein Spinner am Kiosk, die junge Mutter mit den tiefen Falten auf der Stirn, die wie ein "V" aussahen, die häßliche Braut mit dem Strickpulli und den baumelnden Monstertitten, der verstörte Typ mit den fettigen Haaren und dem fliederfarbenen Rucksack, der immer in einem leichten Trab vorbeikam, so als würde er befürchten, etwas zu verpassen - sie alle waren noch nicht da, ihr Auftritt war noch nicht gekommen.
Kalle postierte sich an seinem Platz und schwitzte vor sich hin. Er dachte an die vielen Geschichten, die täglich an ihm vorbeizogen und von denen er nichts wußte. Ihm wurde nur ein kleiner Ausschnitt geboten, ein kurzes Aufflackern einer Lebenslinie, die die seine schnitt, aber niemals parallel verlief. Dabei war er gerade dabei, seine Linie an einer anderen auszurichten ...

Die Zeit verstrich, mehr Leute zogen mehr oder weniger unbemerkt vorbei, Kalle war hochkonzentriert, irgendwann fingen die ersten Läden an, ihre Türen zu schließen und keine Kunden mehr hereinzulassen, in der Bäckerei wurden die letzten Bleche geleert, eine kleine Schlange hatte sich gebildet, um die letzten Brötchen zum halben Preis abzustauben.
All das wurde akribisch aufgezeichnet von der versteckten Kamera, Kalles drittem Auge, daß in diesem Augenblick nicht anderes sah, als die Werbebotschaft eines Lieferwagens, der direkt vor dem Fenster des Detektivbüros zum Stehen kam. Der Fahrer schaltete die Warnblinkanlage an, stieg gemächlich aus, zündete sich eine Zigarette an und schlich und unvorstellbarer Langsamkeit über die Straße. Er fing an, mit dem Gemüsehändler zu diskutieren, für den er offensichtlich Waren zu liefern hatte. Daß diese Waren schon am Morgen hätten eintreffen sollen, schien ihn nicht besonders zu interessieren, aber an der Gestik des Händlers ließ sich selbst aus der Entfernung gut ablesen, wo sich der Lieferant das mittlerweile nicht mehr frische Obst und Gemüse hinstecken konnte.

Es dauerte eine Weile bis Kalle merkte, was diese Szenerie für ihn und seinen wohlausgedachten Plan bedeutete. Er blickte mehrmals hektisch zwischen dem Lieferwagen und seinem Bürofenster, hinter dem das Objektiv lauerte, hin und her und rannte dann zum Lieferwagen herüber, aber nur um festzustellen, daß er abgeschlossen war.
Um ein Haar wäre er von einem Taxi erfaßt worden, als er unüberlegt über die Straße stürzte. Der Lieferant und der Händler waren wie vom Erdboden verschluckt, Kalle blickte in den unbeleuchteten Laden und sah im hinteren Teil des Geschäfts eine Tür, die allerdings geschlossen war. Wahrscheinlich hatten sich die beiden Streihähne zur Fortsetzung ihrer Geschäftsverhandlungen ins Büro verzogen.

Planänderung. schrieb er später Beobachtungen ohne technische Hilfsmittel fortgeführt.
Parfümerie war noch geöffnet, Zielperson nicht zu sehen


Er schlenderte betont unauffällig an dem Geschäft vorbei, blieb scheinbar interessiert stehen und sondierte die großflächigen Plakate, die das Schaufenster fast völlig ausfüllten. Die sich reflektierende Sonne machte es ihm jedoch unmöglich, in den Laden zu sehen, daher ging er weiter, drehte nach ein paar Metern um und lehnte sich an eine Laterne, um die Eingangstür im Auge zu behalten.
Nichts passierte, außer daß sich bei Kalle langsam die Natur bemerkbar machte. Er hatte im Laufe der letzten Stunden mindestens drei Bier getrunken, jetzt hatte er Lust auf mehr, aber vordringlich das Bedürfnis, sich ausgiebig zu entleeren. Er unterdrückte das Verlangen, nahm seinen Rucksack ab und angelte nach einer weiteren Erfrischung. Als er wieder hochsah, stockte ihm der Atem: das beleuchtete Neonschild war aus, die dicke Besitzerin schloß gerade die Tür von innen ab.
Kalle drehte sich hektisch um und suchte den Bürgersteig ab. Seine "Zielperson" war nirgends zu sehen.

So schnell konnte die sich niemals aus dem Staub gemacht haben!
Scheiße. Vielleicht arbeitet sie eine kürzere Schicht.
Ab sofort Kameraüberwachung per Zeitschaltuhr auch morgens, um den Arbeitsbeginn zu überwachen.


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boris



Beiträge: 11152

Titel: (Kein Titel)
Verfasst am: Do, 07 Apr 2005, 21:55
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[fortgesetzt]

Das Telefon klingelte, Kalle nahm reflexartig ab, sagte aber vorerst nichts. Nach ein paar Sekunden gab es ein zaghaftes "Hallo?". Kalles Laune sankt sofort auf den Nullpunkt, als er die Stimme seines Sohnes Justus erkannte. Der Anruf konnte nur eines bedeuten: chronische finanzielle Ebbe bei seinem Sprößling.
"Was willst du?"
"Danke gut, und dir?"
"Komm zur Sache."
"Du weißt, daß ich Anspruch auf Unterhalt habe."
"Ich hab dir schonmal gesagt, daß ich deine Bordelltouren nicht bezahle. Laß mich in Ruhe."
"Ich werd dir das letzte Haar von deinem fetten Arsch wegklagen, du ..." Kalle legte kurzerhand auf, das Telefon klingelte abermals, aber er ging nicht mehr ran. Justus rief noch mehrmals an, um seiner Wut vollends Ausdruck verleihen zu können, aber Kalle entsorgte die Kassette des Anrufbeantworters kurzerhand im Hausmüll.


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boris



Beiträge: 11152

Titel: (Kein Titel)
Verfasst am: So, 24 Apr 2005, 19:04
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[fortgesetzt]

Entgegen seiner sonstige Angewohnheiten stand Kalle am nächsten Morgen schon früh auf, weil er sich nicht auf seine automatisch gestartete Aufnahme verlassen wollte. Er kauerte sich mit einem spärlichen Katerfrühstück hinter die Fensterbank und spähte angestrengt über die Straße, während das Band an seinem linken Ohr in der Kamera leise summte.
Es verblieb noch eine gute halbe Stunde, bis der Laden gegenüber öffnen sollte, und Kalle studierte die Passanten. Um diese Uhrzeit, die für ihn normalerweise "später Abend" bedeutete, bot sich für ihn eine vollkommen andere Szenerie: es gab keine gemütlich einherschlendernden Rentner, die Kioskbesitzer vollschwafelten, keine verspätenden Schulkinder auf dem Weg nach Hause und keine kinderwagenschiebende Mütter. Es hatte den Anschein, als laufe der sich vor ihm abspulende Film ein wenig zu schnell ab - sämtliche Bewegungen schienen nicht abgehackt oder gehetzt, aber trotzdem ein wenig zu hastig, fast unnatürlich, es kam ihm so vor, als tauche er in eine andere Welt ein, an der er keinen Anteil hatte.

Endlich war es soweit: 9:00

Türöffnung des Geschäftslokals erfolgt von innen, wie das Verschließen am Vorabend.
Überprüfen, wo Hintereingang existiert, Überwachungsmöglichkeiten erkunden, um heimlichen Abgang der Zielperson ausschließen zu können.


Von der "Zielperson" war nichts zu sehen, die Besitzerin schloß um kurz nach neun die Ladentür auf und setzte die animierte Schaufensterdekoration in Gang. Durch Spiegelungen im Schaufenster konnte Kalle zunächst nichts weiter erkennen, er holte sich daher seine alte Spiegelreflex-Kamera mit einem Teleobjektiv aus dem Schrank und schraubte einen Polarisationsfilter auf.
Die Besitzerin öffnete gerade die Kasse und sortierte Wechselgeld in die dafür vorgesehenen Fächer, stampfte dann zwischen den Regalen herum und schob einige Fläschchen und Flacons zurecht, die ihrer Vorstellung von Symmetrie widersprachen.

Die folgenden Stunden waren in allen Einzelheiten genau nicht das, was sich Kalle unter einem aufregenden Leben als Privatdetektiv ausmalte: geheime Treffen, schmierige Informanten, zwielichtige Kneipen und scharfe Bräute, soweit das Auge reichte. Das hier war allerdings todlangweilig, und trotzdem zeichnete er akribisch jeden einzelnen Kundenbesuch in der Parfümerie auf, inklusive Aussehen und vermutete Ausgaben.
Es schien sogar, als würde er mit jeder Minute, in der wieder nichts passierte, übermütiger und innerlich gespannter. Jede Stunde, die er fast bewegungslos kauernd an seinem Fenster verbrachte, machte da Auftauchen sein "Zielperson" wahrscheinlicher, so daß er am Ende des Arbeitstages kaum noch aufstand, um sich die Beine zu vertreten, denn jede einzelne Sekunde konnte ihn das entscheidende Detail verpassen lassen.
Kalle ignorierte das Telefon und holte nur ab und zu etwas zu trinken nach, ging auf die Toilette oder wechselte das Überwachungsband seiner Videokamera, aber es kam, wie es kommen mußte: nach Feierabend wurde die Parfümerie wieder abgeschlossen, die Zielperson war nicht aufgetaucht.

Kalle rannte aus seinem Büro und über die Straße. Er bog in die nächste Seitenstraße ein und flitzte einmal um den Block. Aber auch hier hatte er kein Glück: er wartete eine Stunde vergeblich, aber die Besitzerin war offensichtlich schon weg.

Kauf einer 2. Videokamera. Parkplatz suchen mit Blick auf den Hinterausgang der Parfümerie.
Von außen undurchsichtige Klebefolie für Autofenster kaufen, zusätzlich ein Stativ zur Montage der 2. Kamera im Auto.


Er sichtete das gesamte aufgezeichnete Material des Tages, um auszuschließen, daß er in einer seiner kurzen Abwesenheiten etwas verpaßt hatte, aber auch in seinen Überwachungspausen herrschte auf den Bändern nur gähnende Langeweile.


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boris



Beiträge: 11152

Titel: (Kein Titel)
Verfasst am: Do, 19 Mai 2005, 20:20
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[fortgesetzt]

Kalle arbeitete so diszipliniert wie vorher wahrscheinlich noch nie in seinem Leben. Er zeichnete sich Einsatzpläne auf, errechnete, wie lange er von seinem Büro brauchen würde, um schnell zu seinem Auto zu gelangen, daß er hinter der Parfümerie parkte, sollte eine Videokassette ausgewechselt werden. Er kaufte sich Vorräte, füllte seinen Kühlschrank, besorgte sich eine zweite Kamera und einen ganzen Karton mit leeren Kassetten. Er hinterließ eine Ansage auf seinem Anrufbeantworter, die dem Anrufer mitteilte, daß er auf unbestimmte Zeit verreist sei, schloß seine Bürotür ab und machte kein Licht mehr. Er stellte sich zwei kleine Herdplatten ins Büro, legte sich ein Krankenhauspackung Klopapier zu und bereitete sich so auf seinen "Job" vor.

"Hi, ich bins, Kalle." Er war am Telefon und rief einen alten Bekannten, den "Doc", an, der zwar seine Anstellung als Arzt wegen illegaler Nebeneinkünfte verloren hatte, seine früheren Kontakte aber immer noch spielen sich, um sich finanziell über Wasser zu halten.
"Der Superschnüffler. Was macht die Pornosammlung?"
"Ich hab nicht viel Zeit, Mann. Kannst du mir kurzfristig ein paar von deinen Wachmachern organisieren?"
"Wieviele?"
"Sagen wir, ich muß die nächsten drei bis vier Wochen den Tag über topfit sein und die halbe Nacht noch Material sichten."
"Das ist ne Menge Holz. Reicht Sonntag?" Es war Mittwoch.
"Gehts nicht früher?"
"Ich kann dir nichts versprechen. Vielleicht Samstag. ich schicke dir Pepe als Lieferant rüber."
"Die Elster? Arbeitet der immer noch für dich?"
"Bleib locker, er hat sein kleines Problem schon seit einiger Zeit im Griff, ich hab ein Auge auf ihn. Ich lass dir eine Hunderter-Packung rüberkommen, zum üblichen Kurs."
"Danke, Mann."
"Übertreibs nicht."

Kalle machte sich eine geistige Notiz, die Tabletten nachzuzählen.


[Ende des 2. Kapitels]


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