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boris

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Titel: Raymond Chandler - Meistererzählungen
Verfasst am: Mo, 13 März 2006, 15:07 |
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Raymond Chandler - Meistererzählungen
Raymond Chandler ist ein Urgestein der amerikanischen Kriminalliteratur (1888 - 1959), bekannt durch seine Stories und Drehbücher und insbesondere der Figur des Philip Marlowe.
Der Stil seiner Stories wird bezeichniet als "harboiled" und beschreibt die Protagonisten: kalt, hart und meist nicht ungefährlich, natürlich bewaffnet.
Ein weiteres Element dieses Stils, das in den vorliegenden Erzählungen auch sofort auffällt, ist es, daß die Hauptpersonen (Privatdetektive, diesmal allerdings nicht Philip Marlowe, kleine Gauner, Erpresser z.B.) einem eigenen moralischen Code folgen. Dabei halten sie sich nicht unbedingt an das Gesetz, trotzdem haben alle einen sehr ausgeprägten Sinn für Gerechtigkeit, so wird z.B. schonmal jemand laufen gelassen, der eine Straftat "berechtigterweise" begangen hat.
Chandler schreibt seine Stories mit geradezu lakonischer Härte: es wird permanent geschossen, Sprüche werden geklopft (teilweise schon hart an der Erträglichkeitsgrenze zur Künstlichkeit, immer aber lustig), es ist schon fast eine Standardsituation, daß sich zwei Leute mit Waffen gegenüberstehen, beide schießen und fallen gleichzeitig um. Dabei gibt es keinerlei reißerische Beschreibung, es wird lediglich dargestellt, was passiert und dabei bleibt es. Auch Gefühle sind bei den Hauptpersonen kaum anzutreffen, jede Situation - selbst wenn jemand entführt wird - wird gleichgültig hingenommen, meist werden selbst dann noch Sprüche gezückt.
Die Stories sind allesamt spannend, bis lustig (die letzte: "Perlen sind eine Plage" ist der Knüller, zwei Typen, die sich den ganzen Tag mit Whisky - der in jeder Folge in Strömen fließt, hier aber hoch drei - zuschütten und versuchen, einen Diebstahl aufzuklären), sehr gut geschrieben und teilweise äußerst detailreich, was mich als Nicht-Krimileser vorerst mal überrascht hat. Winziges Manko: man muß extrem aufpassen, es kommen stapelweise Leute vor und die Schlußfolgerungen und Wendungen kommen manchmal so blitzartig, daß man nochmal zurückblättern muß, um diese überhaupt nachvollziehen zu können ... zumindest sind aber so die Lösungen auch überhaupt nicht offensichtlich, für Überraschungen ist immer gesorgt.
Ich muß jetzt nicht unbedingt sofort mehr desgleichen lesen, aber Chandler macht auf jeden Fall Spaß und ist mehr als das, was man sich gemeinhin unter einem Krimi vorstellt.
____________ beehave - home of humbug ... [we can't afford to be neutral]
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