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Titel: [TXT] Milla - Der rachsuechtige Schrank
Verfasst am: So, 03 Apr 2011, 23:03 |
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Autor: Milla
Datum: 1990
Code: |
Gefunden in: Die Muenchner Mailbox Presse
Titel......: Der rachsuechtige Schrank
Autorin....: Milla
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: Der rachsuechtige Schrank :
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Wie das in Familien mit zwei Kindern wohl immer so ist, bekommt das
aeltere immer das groessere Zimmer, bis es dann auszieht und damit
der erhebende Moment fuer das juengere kommt, in das geraeumigere und
ueberhaupt um so vieles wundervollere Zimmer umzuziehen.
Nun laeuft sowetwas natuerlich nicht ohne Hindernisse ab, denn
sobald das Geschwister nicht alle seine Moebel mitnimmt, geht der
Aerger los.
Da steht ein riesiger Schrank im Zimmer, belegt ein viertel des
Platzes und ist derart unpraktisch aufgestellt, dass er jede Bewegung
im Zimmer behindert. Natuerlich koennte man ihn vor dem Umzug
abbauen, aber da man ja um jeden Preis eine Verzoegerung des
Umziehens vermeiden will, laesst man ihn vorlaeufig stehen und
versucht so gut es geht, ihn in das Umfeld des eigenen Geschmackes
einzupassen.
Das mag ein, zwei Monate gut gehen, aber spaetestens dann ist der
Moment erreicht, wo man sich zu oft den Kopf, die Arme, den Ruecken
und was sonst noch so an Koerperflaeche vorhanden ist, angestossen
hat.
Damit beginnt sich das bislang auf gegenseitige Duldung mit
gelegentlichen Seitenhieben ausgelegte Verhaeltnis rapide zu einem,
auf beiden Seiten von gluehendem Hass gepraegten, zu wandeln.
Bei jeder Verletzung, die man durch den Schrank erfaehrt, belegt man
ihn nun mit den wuestesten Beschimpfungen, die der Schrank mit immer
heimtueckischeren Attacken quittiert - gerade dann, wenn man sie am
wenigsten erwartet.
Der Kriegszustand ist damit unweigerlich ausgebrochen. Nun steht
der Mensch aber dem Schrank gegenueber durch seine Empfindlichkeit
recht hilflos gegenueber, denn alle Tritte erweisen sich als
Bumerang, wie man erkennen muss, wenn man auf der hinteren Region am
Boden sitzend mit beiden Haenden den verbogenen Fuss haelt. Die
einzige Waffe die dem Menschen bleibt ist die der Demontage und so
dauert es nicht lange, bis man, mit verbeultem Kopf und voller Wut,
den Werkzeugkasten ergreift und sich an die Arbeit macht.
Der erste Angriff richtet sich gegen die Tueren, die es auszuhaengen
gilt. Natuerlich hat man sich in den Moeglichkeiten der Widerwehr
vollkommen verrechnet und ist somit nicht gefasst, als man mit beiden
Haenden die Tuer angreift und sie herausheben will, denn sofort
werden die Finger der einen Hand eingeklemmt. Ein Spiel, dass sich
mehrfach und an jeder Tuere wieder gnadenlos wiederholt. Ebenso
verhaelt es sich mit dem Fuss, mit dem man von untenher die Tuere
ausheben will, denn wie koennte es auch anders sein, knallt selbige
natuerlich kaum dass sie erloest ist, auf den Fuss und man findet
sich in der bereits so vertrauten sitzenden Position wieder, waehrend
die Tuere, wie im Triumph, nur knapp am Kopf vorbei zu Boden saust
und dabei die Deckenlampe mitnimmt.
Schliesslich sind jedoch alle Tueren sorgsam aufgeschichtet und man
wendet sich den Waenden zu.
Mit fast sadistischer Freude wird jede Schraube langsam
herausgedreht und mit triumphierendem Blick auf den verhassten Gegner
in eine Tuete gesteckt. Nun ist so ein Schrank nicht dumm und als
man gerade genuesslich dabei ist die Schrauben in seinem Inneren zu
loesen, schlaegt er zu. Denn daran, dass die Waende, die man
abmontiert, umfallen ist man natuerlich nach der Tuererfahrung
laengst gefasst und das weiss auch der Schrank sehr gut. Darum
faellt diesmal unerwaertet und hintaerhaeltig etwas anderes, die
Deckplatte naemlich. Das tut sie freilich in genau dem Moment, als
man voll Freude schraubend im Inneren sitzt und nich ausweichen kann.
Schepper - Dunk - Aua !!!
Fuer einen Moment sieht man Sternchen und Voegelchen und was man bei
derartigen Gelegenheiten noch so zu sehen pflegt, dann wird der Blick
wieder klar und zurueck bleibt nur das moerderische Brummen des
Kopfes. Diesen kleinen Schwaecheanfall wusste der Schrank
seinerseits trefflich zu nutzen, denn dieweil die menschliche Optik
behindert war, fielen die Waende nach allen Seiten hin auseinander
und der Mensch, aus seiner Ohnmacht erwacht, sieht sich mit einem
Truemmerfeld konfrontiert.
Jedoch, entmutigt ist man nicht, da der Zorn viel zu gross ist und
der Siegeswille dadurch noch groesser. So verdraengt man den
Kopfschmerz und macht sich daran, die Truemmer in geordnete Haeufchen
aufzugliedern.
Damit ist der Triumpf perfekt, moechte man meinen. Nichts kann mehr
fallen, an nichts kann man sich mehr stossen, denn der Schrank ist
nun doch gluecklich, oder eher ungluecklich, abgebaut. Bleibt nur
noch ihn auf den Sperrmuell zu tragen und mit dem freudigen Laecheln
des Siegers ein endgueltiges Lebewohl zu sprechen.
Doch da hat man sich gruendlich verrechnet, denn als man gerade die
Bretter hinausbefoerdern will, mischt sich die Mutter ein, die der
Ueberzeugung ist, dass man den Schrank ja wieder im alten Zimmer
aufstellen koennte, da man schliesslich nicht alles gleich wegwerfen
sollte. Aber nicht dass sie daran daechte, ihn selbst dort
aufzustellen, Gott bewahre, nein, man selbst ist natuerlich der arme
Sklave, der dieses Handwerk verrichten muss. Da hilft kein Wehklagen
und kein Halten des verbeulten Kopfes.
So traegt man die Bretter nicht, wie geplant auf die Strasse,
sondern zurueck nach oben in das alte Zimmer, um sogleich die
zutiefst zuwidere Arbeit des Wiederaufbaus des verhassten Feindes zu
beginnen.
Das alte Spiel beginnt, und mit fortschreitendem Erstarken des
Schrankes ist der Mensch immer mehr der Unterlegene. Schliesslich
ist man fast fertig und darum froh, denn der Koerper ist laengst mit
Schuerfungen, blauen Flecken und Beulen uebersaeht und man hat sich,
wenn auch zaehneknirschend, mit der Nierderlage laengst abgefunden.
Doch eine Kapitulation ist diesem boesartigen Schrank nicht genug !
Nein, ganz nach dem Motto: \"Keine Gefangenen !\" will er seinen
Gegner schlagen, ihn vernichten und so zerstoeren, dass er eine
erneute Auseinandersetzung um jeden Preis vermeiden wird. Darum, als
man, um die Tueren als letzten Schritt wieder einzuhaengen, auf einen
Stuhl steigt, hat sich der Schrank mit diesem Moebel bereits
verbuendet und der Stuhl kommt als Kamikazekrieger in diesem Kampf
zum Einsatz. Denn kaum das man auf ihm steht, bricht er in der Mitte
durch und man findet sich mit Holzsplittern in Knie und Unterschenkel
wieder auf dem Fussboden. Doch damit nicht genug, da kaum dass die
Splitter mit zusammengebissenen Zaehnen herausgezogen sind, der
zerstoerte Stuhl gegen einen frischen eingetauscht ist und man erneut
mit dem Einhaengen der Tueren beginnt, die erste Tuere gluecklich
haengt, faellt man hinunter und bleibt genau mit dem Ruecken an dem
fuer eine weitere Tuer bestimmten Schanier haengen. Ein langer,
schmerzender Kratzer zieht sich den Ruecken hinunter und vollkommen
erledigt, laesst man die restlichen Tueren, Tueren sein und zieht
sich, besiegt und am Ende, in sein neues Zimmer ins Bett zurueck und
schlaeft unter Traenen ein.
Durueben derweil feiern die Moebel ihren Sieg ueber die Menschheit.
(C) Milla 1990
Die Geschichte beruht auf einer leider sehr wahren Erfahrung im
Umgang mit Schraenken..... |
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