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boris
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Titel: Neil Postman - Wir amüsieren uns zu Tode
Verfasst am: Mi, 05 Okt 2022, 17:51 |
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Neil Postman - Wir amüsieren uns zu Tode
Urteilsbildung im Zeitalter der Unterhaltungsindustrie
Originaltitel: Amusing Ourselves to Death. Public Discourse in the Age of Show Business
Story (von amazon): "Der wegweisende Klassiker über die zersetzenden Auswirkungen des Fernsehens auf die Politik und unseren gesellschaftlichen Diskurs"
Wo die Zusammenfassung von amazon völlig daneben liegt: "In einer Welt, die Orwells »1984« immer ähnlicher wird" - genau dagegen schreibt Postman nämlich die ganze Zeit und schreibt, dass unsere Welt eher der von Huxley in "Schöne neue Welt" ähnelt. Manchmal hat man sogar den Eindruck, als hätte Postman die beiden Bücher als wissenschaftliche Grundlage verstanden, zum Teil nerven die ständigen Erwähnungen auch (was zum Teil daran liegen kann, dass ich das Buch von Orwell super fand, das von Huxley aber überhaupt nicht).
Zentrale These: “Problematisch am Fernsehen ist nicht, dass es uns unterhaltsame Themen präsentiert, problematisch ist, dass es jedes Thema als Unterhaltung präsentiert.” Und das passt auch ganz gut, Postman liefert einen historischen Abriss über die Veränderung der Gesellschaft nach Entwicklung von Schrift und schließlich vom Buchdruck - bis das Fernsehen alles kaputt macht, weil es "kontextlose Information" im Sinne eines Varietes anbietet. Die Frage, die sich hier oft stellt bzw. stellen müsste: "Wie oft kommt es vor, dass die Informationen, die ich morgens dem Radio, dem Fernsehen oder der Zeitung entnehme , mich dazu veranlassen, meine Pläne für den Tag zu ändern oder etwas zu tun, was ich sonst nicht getan hätte, und wie oft verhelfen mir diese Informationen zu Einsichten in Probleme, die ich lösen soll?" Die Antwort darauf sollte klar sein.
Weitere Zitate:
“In der Informationswelt, die die Telegraphie hervorgebracht hat, ist das Gefühl, handlungsfähig zu sein, gerade deshalb verloren gegangen, weil die ganze Welt zum Kontext für die Nachrichten geworden ist. Zum erstenmal wurden uns Informationen übermittelt, die lauter Antworten auf ungestellte Fragen und die uns jedenfalls kein Recht zur Erwiderung einräumten.”
“Aber das Fernsehen ist ein Medium, das uns Informationen in einer Form präsentiert, die sie versimpelt, die sie substanzlos und unhistorisch macht und ihres Kontextes beraubt, ein Medium, das die Informationen auf das Format von Unterhaltung zurechtstutzt.”
Und schließlich gibt es noch ein Kapitel zur Auswirkung auf die Erziehung (inkl. der schulischen):
“Ich sage nur, dass das Fernsehen - wie vorher das Alphabet oder die Druckpresse - dadurch, dass es die Zeit, die Aufmerksamkeit und die Wahrnehmungsgewohnheiten unserer Jugend zu kontrollieren vermag, die Macht erlangt, ihre Erziehung zu kontrollieren.”
Alles ein wenig reißerisch (s. Titel), alles ein wenig sehr tendenziös, alles in allem angesichts von Lernständen und Aufmerksamkeitsspannen von Schülern aber nicht von der Hand zu weisen und - vor allem - angesichts des Jahres der Veröffentlichung, 1985!, sehr weitsichtig.
Fazit: Nicht uninteressant.
____________ beehave - home of humbug ... [we can't afford to be neutral]
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