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Titel: [TXT] Magic Cee - Nieder mit dem Weihnachtsmann!
Verfasst am: Mo, 04 Apr 2011, 20:27 |
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Autor: Magic Cee
Dateidatum: 14.8.2004
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Nieder mit dem Weihnachtsmann!
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Nicht, dass ich was gegen den Brauch des Weihnachtsfestes haette, aber manchmal
frage ich mich, ob er mehr Fluch oder Segen fuer die Menschheit ist; genauer:
Segen oder Fluch fuer mich. Denn immer, wenn sich ein Jahr dem Ende zuneigt und
die Tage kuerzer und kaelter werden,befaellt mich jedesmal eine panische Angst.
Ich pflege naemlich meine Geschenke erst auf die letzte Minute zu kaufen, was
jedoch recht nervenverschleissend ist. Aber es sind ja nicht nur die Geschenke.
Auch das ganze Drumherum laesst mich nicht gerade frohen Mutes in die Zukunft
blicken. Mit Grausen und Zittern erinnere ich mich noch an das Weihnachtsfest
des Jahres 1979...
Es ist kurz vor sechs Uhr abends. Ich sitze in meinem Zimmer und schaue aus dem
Fenster, an dem sich von Zeit zu Zeit Schneeflocken niederlassen, damit sie
schmelzen koennen. Irgendwie ist heute alles anders als sonst, eine seltsame
festliche Stimmung liegt in der Luft, die nach Moschus und Lebkuchenherzen duf-
tet. Ich schalte meinen Rechner an und starte den ewigen Kalender.Und mit einem
Male ist das Geheimnis gelueftet: es ist heute jener Tag, an dem uns Jesus ge-
boren wurde. Aber die Welt lebt in einem Irrtum. Denn er wurde gar nicht am
24.12.0000 geboren. Wann genau weiss ich allerdings auch nicht, ich weiss nur,
dass sich vor langer, langer Zeit einmal ein Moench an die Kalenderumrechnung
gemacht hat, wobei ihm jedoch einige Fehler unterlaufen sind. Aber dies soll
mich an einem Tag wie diesem nicht interessieren.
Die Heizung spendet mollige Waerme, ja, selbst in den Gesichtern der Menschen,
die an meinem Fenster vorruebergehen, entdecke ich nie gekannte Zuege der Herz-
lichkeit, und die Kinder auf der Strasse blicken mit grossen, erwartungsvollen
Augen auf ihre Uhren. Ich verlasse mein Kaemmerlein und begebe mich auf den
Korridor, wo meine Mutter bei meinem Anblick panikartig mehrere Pakete in der
Besenkammer verschwinden laesst. Ich gehe ins Wohnzimmer, in dem es nach Duft-
kerzen und frischen Tannennadeln riecht. Mein traeger Blick faellt auf den
reichlich geschmueckten Tannenbaum, der wegen seiner extremen Naturschraeglage
von einem meiner Brueder mit einer Schnur an der Wand befestigt wurde.Er haette
wenigstens Lametta ueber die Kordel tun koennen, der alte Barbar. Aber anstatt
mit ihm zu schimpfen sage ich ihm ein paar liebe Worte.Es muss tatsaechlich was
dran sein, am \'Fest der Liebe\'.
Allerdings wird meine Schwaermerei jaeh unterbrochen, die Tuerklingel, die von
irgendjemandem ununterbrochen bedient wird, holt mich in die Wirklichkeit zu-
rueck. Wer wagt es, die festliche Stimmung zu stoeren? Natuerlich. Meine liebe
Schwester. Und sie kommt nicht allein - im Schlepptau hat sie ihre Kinder, die
natuerlich auch schon ihre Geschenke erhalten und sie zwecks Vorfuerung mitge-
bracht haben. Ich glaube, ich brauche noch etwas Ruhe und verziehe mich wieder
auf mein Zimmer. Draussen wird es immer dunkler, und auch der Schnee faellt nun
etwas dichter, aber immer noch sanft und leise, so, als wuerde man Puderzucker
auf frische Waffeln streuen. Kein Auto ist unterwegs, nur hier und da hasten
dick vermummte Maenner ueber die verschneite Strasse, wahrscheinlich auf dem
Weg nach Hause, wo ihr Schatz schon auf sie wartet. Es ist wie im Traum,wenn da
nicht meine kleine Nichte waere, die ihre neue Trompete unablaessig bedient.Ich
habe durchaus nichts dagegen, wenn man in jungen Jahren ein Musikinstrument er-
lernt,aber muss es denn Trompete sein? Es gibt doch viel huebschere Instrumente
fuer dreijaehrige Maedels, wie z.B. Floete oder Kontrabass.
Ich versuche,die Anzahl gefallener Schneeflocken pro Quadratmeter zu bestimmen,
kann mein Ergebnis jedoch nicht auf TRUE oder FALSE hin ueberpruefen lassen, da
meine Mutter zum Essen ruft. Ich begebe mich in das Esszimmer,wo sich der Tisch
unter einem opulenten Mahl nur aechzend aufrecht halten kann. Es gibt Ente,Kar-
toffeln, Gemuese, verschiedene Salate, sowie eine Ohrfeige fuer meine kleine
Nichte, die versucht hat, ihren Kakao durch die Trompete zu trinken. Mein Gott,
was ist denn da so schlimm dran, wenn das Kind die Gesetze des Unterdrucks er-
forschen will? Aber ich habe keine Zeit, mir darueber Gedanken zu machen, denn
ich muss zusehen, dass auch ich an der Opulenz teilhaben kann, denn unsere
Familie ist nicht gerade klein. Mit einem Salto rueckwaerts (geschraubt und
zweifach gehoeppt) sichere ich mir ein Stueck Putenkeule, was mir neidvolle
Blicke seitens meines Schwagers einbringt. Der soll bloss ruhig sein,der elende
Dieb. Wegen ihm bekomme ich keinen Rotkohl,da er die Schuessel genommen hat und
sie nicht wieder hergeben wird, ich kenne ihn.
Am anderen Ende des Tisches pruegelt sich meine Grossmutter mit meinem Bruder
um die Salatzange. Meine Grossmutter siegt schliesslich, nach Einsatz ihres
Stockes, durch Punkte und darf sich als erstes vom Salat nehmen. Draussen auf
dem Flur poltert es;mein kleiner Neffe ist mit dem Garderobenstaender zusammen-
gebrochen und sucht heulend unter dem Mantel meiner Schwaegerin Schutz. Meine
Schwester hat sich die allgemeine Ablenkung zu Nutze gemacht und sich einen ge-
waltigen Berg Kartoffeln auf ihren Teller geschaufelt. Nunja. Schliesslich ist
ja Weihnachten, das Fest des Friedens. Noch EIN Ton aus der Trompete, und ich
werde wahnsinnig. Meine Mutter geht in die Kueche und kehrt mit einem Servier-
wagen zurueck,auf dem sich verschiedene Nachspeisen befinden, fuer jeden etwas.
Nur nicht fuer meinen Schwager. Er verweigert naemlich jede weitere Nahrungs-
aufnahme. Das hat er nun davon, dass er den ganzen Rotkohl gefressen hat. Die
verbleibende Portion wird aufgeteilt zwischen meinen beiden Schwestern. Aller-
dings fehlt auch ihnen noch das festliche Bewusstsein, denn keine will die an-
dere teilen lassen und bezichtigt sie des Betruges. Ich mache den Vorschlag,
dass die eine teilt und die andere dann waehlen darf. Meine weiteren Worte ge-
hen im Beifallssturm unter. Und auch die Welt geht unter. Zumindest beinahe,
denn meine kleine Nichte hat infolge ihres Forscherdranges den Tisch umgeris-
sen, an dem sie sich festhalten wollte, um nicht mit dem aus dem Gleichgewicht
gebrachten Stuhl umzufallen. Schade. Haette zu gerne erfahren,ob mein Vorschlag
wirklich so gut war.
Ich schleiche aus dem Zimmer und versuche, im allgemeinen Chaos die Trompete
unschaedlich zu machen. Leider wird diese Absicht durch die fragenden Blicke
meiner kleinen Nichte im Keim erstickt. Ich vertusche meine Verlegenheit und
setze mir die Trompete auf den Kopf und murmele etwas von \"...da hast Du aber
einen komischen Hut...\" Meine Nichte blickt mich veraechtlich an, nimmt das
Mordinstrument wieder an sich und tritt mich. Also,wenn heute nicht Weihnachten
waere...
Aber es ist nun einmal so, und meine Mutter laeutet des Dramas letzten Akt ein.
Es geht nun naemlich an die Bescherung. Ich gehe in mein Zimmer, um meinen Sack
mit den Geschenken zu holen und ertappe meinen Bruder beim spionieren. Also,das
ist doch nicht zu fassen. Ein erwachsener Mann und dann sowas! Ich verjage ihn,
frage ihn jedoch noch,was ich denn von ihm bekommen werde. Seine Antwort faellt
leider zu barsch aus, als dass man sie hier wiedergeben koennte. Ich schnappe
mir meinen Geschenksack und gehe ins Wohnzimmer, wo die Schenkerei schon voll
in Gange ist. Naemlich die Einschenkerei. Mein Schwager, der alte Wegelagerer,
hat naemlich den Vorschlag gemacht, zuvor ein kleines Glaeschen zu trinken, da-
mit die Festlichkeit noch gesteigert wird.
Anscheinend beherrscht er die Kunst der Rede perfekt, denn alle halten Glaeser
in der Hand, sogar mein aelterer Bruder, der sonst nicht zu trinken pflegt. Mit
einem \'Frohe Weihnachten!\' werden die Glaeser nicht nur angesetzt, sondern auch
geleert. Somit ist der gemuetliche Teil des Abends eroeffnet und es werden die
Geschenke ausgetauscht. Nur mein Schwager tanzt mal wieder aus der Reihe. Er
legt die erhaltenen Geschenke direkt zur Seite, damit er die Haende frei zum
Eingiessen hat. Mittlerweile ist es ihm egal, ob er alleine trinkt, als ich ihm
mein Geschenk bringe, lallt er irgendwas von \"...Hauptsache, es trinkt ueber-
haupt einer!...\". Einfach schockierend. Wie kann man sich an einem solchen Tage
nur so gehen lassen? Ich ergreife die Flasche und spuele meinen Aerger mit ein
paar kraeftigen Schlucken hinab.
Meine Oma versucht das Geheimnis eines Elektrofoehns zu lueften und schliesst
das Geraet an die Steckdose an. Es funktioniert tadellos, worauf sie anfaengt,
sich zu frisieren. Ich hingegen probiere meinen neuen Rasierer aus und ruecke
damit den Kakteen auf der Fensterbank zu Leibe, da ich mich bereits am Morgen
von meiner Bartpracht befreit habe. Als ich zurueckkehre, sehe ich, wie sich
meine kleine Nichte ueber meinen Teller mit Suessigkeiten hermacht. Ich stehle
ihre Trompete und setze sie auf die Tannenbaumspitze, was zwar recht huebsch
aussieht, jedoch ein Heulsolo meiner Nichte zur Folge hat, worauf ich den Baum
wieder seiner neu gewonnen Pracht beraube.
Mein Schwager torkelt durch das Zimmer und versucht, meine Grossmutter zum Sau-
fen zu verleiten. Sie wehrt sich energisch, indem sie ihn den Foehn in den Mund
steckt, worauf mein Schwager fluchend das Weite sucht. Allerdings wusste ich
nicht, dass das Weite so nah liegt, denn er kommt nur bis zum Tannenbaum und
haelt dort inne, wahrscheinlich aufgrund ernster Koordinationsschwierigkeiten.
Ich wende mich vom Elend ab und meinem Bruder zu, der mir nun doch sein Ge-
schenk ueberreicht. Ein Rasierapparat. Super, der andere ging naemlich bei der
dritten Kaktee kaputt. Ich drehe mich um und will auf die Fensterbank zugehen,
hechte jedoch hinter den Sessel, da mein Schwager mir mitsamt Tannenbaum ent-
gegengefallen kommt. Im Sturz reisst er noch die Stehlampe um,wodurch das Wohn-
zimmer in komplettes Dunkel getaucht wird.
Ganz dunkel? Nein, in der Ecke flimmert noch ein kleines Licht, das allerdings
erstaunlich schnell groesser und heller wird. Wieso musste meine Mutter auch
echte Kerzen fuer den Tannenbaum nehmen? Es ist aber nicht der Tannenbaum, der
da leuchtet, sondern die Gardine. Bei genauerem Hinsehen entdecke ich, dass sie
brennt. Ich reisse sie von der Gardinenstange und werfe sie auf den Balkon. Das
ist ja gerade nochmal gut gegangen. Mein Bruder hat inzwischen die grosse Lampe
an der Decke eingeschaltet, so dass ich meinem Schwager bei seinen Versuchen,
sich des Tannenbaums zu entledigen,zusehen kann. Er faselt irgendwas,ich glaube
\"...na,na, nicht so stuermisch, junge Frau...\" und waelzt sich am Boden, jedoch
gelingt es ihm, die Flasche, die er noch immer krampfhaft festhaelt, so zu hal-
ten, dass nichts verschuettet wird. Aber wie will man aus einer leeren Flasche
was ausschuetten?
Meine kleine Nichte hat sich mit ihrer Trompete auf dem Lokus eingeschlossen
und spielt Haendels Kleine Wassermusik. Komisch, ich hatte das Stueck anders in
Erinnerung, vollkommen ohne avantgardistische Elemente...naja, den jungen Musi-
kern von heute ist ja nichts mehr heilig. Es geht langsam gegen elf Uhr, meine
Grossmutter hat sich inzwischen schon die letzten Reste ihrer Haarpracht wegge-
foehnt,was ich auf eine uebertrieben gute Heizspirale zurueckfuehre.Meine Nich-
te ist auch ruhig, sie ist entweder eingeschlafen oder am Mundstueck der Trom-
pete erstickt. Langsam loest sich unsere gemuetliche Runde auf, nur mein Schwa-
ger, der alte Schnorrer, tanzt noch immer Blues mit dem Tannenbaum. Aber das
interessiert mich nicht. In Gedanken bin ich schon wieder ganz woanders...naem-
lich bei meiner anderen Schwester, bei der ja morgen Bescherung ist... |
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