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boris
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Titel: Henry James - Der letzte Dreh der Schraube
Verfasst am: Sa, 09 Mai 2020, 09:09 |
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Henry James - Der letzte Dreh der Schraube
Originaltitel: The Turn of the Screw
Andere deutsche Titel: Das Durchdrehen der Schraube, Die Drehung der Schraube, Schraubendrehungen, Bis zum Äußersten, Das Geheimnis von Bly, Die Teuflischen, Die sündigen Engel, Die Tortur
Story: Der Erzähler gibt eine Geistergeschichte wieder, die jemand an einem Kamin aus den Aufzeichnungen eines Kindermädchens vorliest. Diese ist beauftragt, zwei Kinder, die ohne Eltern aufwachsen, auf dem Landsitz des Onkels (der in der Stadt lebt) zu betreuen. Im Haus und in der Nähe beginnt sie bald, Geistererscheinungen zu sehen, die sich als der frühere Diener und die Vorgängerin des Kindermädchens herausstellen, die unter ungeklärten Umständen ums Leben kamen. Die Geister scheinen Einfluss auf die sich seltsam verhaltenden Kinder zu haben und diese "holen" zu wollen.
Entstand 1898 zunächst als Fortsetzungsgeschichte, es gibt etliche Deutungen (bis hin zu hanebüchenen Gender-Diskussionen) des Buches, wie wikipedia weiß, den finalen Clou am Schluss habe ich offenbar komplett überlesen. Das liegt hauptsächlich an der unglaublich anstrengenden sprachlichen Ausführung der Novelle. Die Sätze sind unfassbar lang und endlos verschachtelt, von Wortwahl und Bildhaftigkeit zwar zum Teil echt toll, aber halt nur sehr schwer lesbar. Die Innenansichten der Hauptfigur sind unglaublich detailliert, was der Erzählung sehr viel Tiefe gibt, sie teilweise aber auch etwas zieht.
Inhaltlich ist die Story (durch die dreifache Erzählstruktur Erzähler/Vorleser/Tagebuch) sehr vage, was James auch explizit so angelegt hat, so wird nie wirklich klar, was echt und was Halluzination ist, alles bleibt in der Schwebe, was psychologisch interessant ist, eine wirklich ergreifende Atmosphäre aber nur selten aufkommen lässt - mit Andeutungen Spannung zu erzeugen, ist hingegen ja durchaus möglich, dass kann z.B. Lovecraft meisterhaft.
Alles in allem ein Klassiker, den man - wie so oft - gelesen habe sollte, aber nicht unbedingt lesen will. Ich werde vielleicht noch einmal etwas von James ausprobieren, wenn der Stil in anderen Büchern aber auch so anstrengend ist, werde ich wahrscheinlich davon Abstand nehmen.
Noch eine Anmerkung zur (abgebildeten) Ausgabe aus dem Nikol Verlag, der offenbar auch "Klassiker" (wie diesen) herausgibt. Ob der Text bereits gemeinfrei ist, oder nicht, spielt dabei keine Rolle, aber die Version dieses Verlags ist unfassbar schlecht bis hin zur Unlesbarkeit. Von fünf nötigen Kommas wird maximal eins gesetzt, was den Lesefluss immer wieder unangenehm unterbricht, bei den wörtlichen Reden fehlen oft einleitende oder abschließende Anführungszeichen, sodass man immer rätseln muss, ob, wann und bis wann jemand redet. Absolut untragbar, Nikol Verlag unbedingt meiden!
____________ beehave - home of humbug ... [we can't afford to be neutral]
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