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[FAQ] Rechtsprobleme des Betriebs von Mailboxen
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Der Archivar



Beiträge: 160

Titel: [FAQ] Rechtsprobleme des Betriebs von Mailboxen
Verfasst am: Sa, 06 Okt 2007, 12:11
Beitrag
Antworten mit Zitat

Autor: Sastre
Datum: 1/1987

Code:
          Rechtsprobleme des Betriebs von Mailboxen
          =========================================

 Seit einiger Zeit wird unter engagierten Betreibern und Benutzern  von
 Mailboxen  diskutiert,  in  welcher Form ein System  betrieben  werden
 koenne,  ohne  dass der SysOp rechtliche Konsequenzen  zu  gewaertigen
 habe.    Der    Beitrag   des   Verlages   Markt & Technik   in    der
 Happy Computer 2/87 duerfte erneut Anlass zu Diskussionen geben.

 Obwohl  ich  mich  zu diesem Themenkreis  in  verschiedenen  Mailboxen
 bereits  mehrfach  geaeussert  habe,  moechte  ich  auf  einige  Dinge
 nochmals hinweisen:

 1.)  Die Einstellung der Betroffenen
      -------------------------------

      Ein wesentlicher Aspekt zum Verstaendnis der andauernden  Debatte
      ist sicher im Informationsdefizit und der Einstellung der 'Daten-
      reisenden'  zu sehen;  ein gutes Bild davon hat sicher  der  CCC-
      Kongress geboten.

      Ich  hatte dort versucht den Teilnehmern verschiedener  Workshops
      zu vermitteln,  wo die Selbstbestimmungsmoeglichkeiten der Benut-
      zer  und Betreiber von Mailbox-Systemen enden.  Leider  habe  ich
      erfahren muessen, dass viele nicht bereit waren zu erkennen, dass
      ihnen  durch  die aktuelle Rechtslage Grenzen  gesetzt  sind.  Im
      Gegenteil wurde meine Absicht, die DFUe'ler vor unangenehmen aber
      vermeidbaren  Konsequenzen  zu bewahren,  bisweilen  als  Versuch
      gedeutet,  die Zuhoerer zu bevormunden.  Man hielt mir beispiels-
      weise vor:  Bislang laufen unsere Boxen problemlos,  also -  wozu
      Aenderungen ?  Oder:  Wenn bei mir die Polizei vor der Tuer steht
      lass' ich sie einfach nicht 'rein oder schalte die Box aus, bevor
      sie etwas sicherstellen koennen...

      Derartigen  Argumenten habe ich nichts  hinzuzufuegen.  Wer  tat-
      saechlich  meint,  Gesetze haetten fuer ihn keine Geltung -  oder
      noch  schlimmer  - jeder koenne  selbst  entscheiden,  an  welche
      Normen er sich zu halten habe,  muss selbst die Erfahrung machen,
      welche Konsequenzen sich aus dieser Auffassung ergeben.

      Ein Argument,  das ich durchaus verstehen kann, ist eines aus dem
      Kreise der Mailboxbetreiber ( auch von der HC geschildert ): Wenn
      die  Benutzer  einer Mailbox nicht mehr die  Moeglichkeit  haben,
      ihre Msg's direkt abzusetzen, sondern die Texte - wie beim WDR in
      Koeln - erst einer Vorzensur unterzogen werden, sinkt die Attrak-
      tivitaet  des Systems erheblich;  die Folge koennte durchaus  ein
      verbreitetes 'Mailboxsterben' sein.

      Ich  denke aber,  dass es der falsche Weg  waere,  daraufhin  die
      Rechtslage einfach zu ignorieren.  Man sollte vielmehr versuchen,
      ein Konzept fuer den Betrieb von Mailboxen zu entwickeln, das die
      Attraktivitaet weitgehend erhaelt; dazu unten 3.) mehr.

 2.)  Die Rechtslage
      --------------

      Die  herrschende Rechtslage ist einigermassen komplex  und  daher
      nur schwer gemeinverstaendlich darzustellen.  Der Versuch der  HC
      ist  in diesem Zusammenhang sicher beachtenswert,  leider aber  -
      wie  viele  'Produkte' der einschlaegigen Zeitschriften  -  etwas
      reisserisch  und nicht wirklich zur  Klarstellung  geeignet.  Ich
      moechte mich bemuehen,  die rechtlichen Umstaende des  Mailboxbe-
      triebes kurz darzulegen,  ohne mich in juristischer  Terminologie
      zu  verlieren.

      Die Hauptfrage ist nach wie vor, wie das Medium Mailbox rechtlich
      zu  beurteilen ist.  Zwar hat man sich in Fachkreisen  inzwischen
      sporadisch  mit Einzelaspekten beschaeftigt,  jedoch ist man  von
      einer einheitlichen Beurteilung weit entfernt.  Grund dafuer  ist
      einerseits  die  rasante  Entwicklung auf dem  Sektor  der  neuen
      Medien  und andererseits der relativ schneckenlahme  Meinungsbil-
      dungsprozess in Kreisen juristischer Experten.  Nach meiner  per-
      soenlichen  Einschaetzung duerfte bundesweit nur eine  verschwin-
      dend geringe Anzahl von Juristen ueberhaupt etwas mit dem Begriff
      'Mailbox' assoziieren,  geschweige denn dieses Medium  beurteilen
      koennen.

      Die  Folge ist,  dass allgemein Unsicherheit herrscht  und  immer
      dann,  wenn es erforderlich wird,  konkrete Sachverhalte auf ihre
      Rechtmaessigkeit zu ueberpruefen,  von den damit meist  ueberfor-
      derten  Ermittlern gern etwas 'aus der Huefte  geschossen'  wird.
      Damit will ich die betroffenen Beamten nicht verunglimpfen,  denn
      ihnen  bleibt keine andere Moeglichkeit.  In diesen  Zusammenhang
      passt sicher die Bemerkung des von HC zitierten  Beamten:  'Jeder
      Betreiber einer Mailbox muss sich i$í©òÞë½ ach, ist das aufregend.

      Ich meine,  es waere nicht sehr sinnvoll,  wenn daraufhin nun  in
      einzelnen  Mailboxen eine intelektuelle Debatte zum Thema  'Recht
      der Mailboxen' gefuehrt wuerde; eine derartige Auseinandersetzung
      bleibt  schon  deshalb  akademisch,  weil  sich  die  betroffenen
      Benutzer und Betreiber im Einzelfall in erster Linie der  Rechts-
      auffassung des einzelnen Ermittlers ausgesetzt sehen. Man muesste
      vielmehr versuchen Mindestanforderungen zu definieren, die es den
      Beteiligten ermoeglichen, im Ernstfall einer Bestrafung zu entge-
      hen.  Eine derartige Verhaltensrichtlinie muesste m.E.  wie folgt
      aussehen:

      -    Der SysOp kann - da er im Zweifel fuer den Inhalt seiner Box
           in  vollem  Umfang  zur Verantwortung  gezogen  wird  -  den
           inhaltlichen Zustand seiner Box nicht einfach ignorieren.
      -    Entweder ist dafuer Sorge zu tragen,  dass die Benutzung der
           Box  nicht jedem offensteht  (geschlossener  Benutzerkreis),
           oder  der  SysOp muss die Benutzer seiner Box  und  die  von
           ihnen geschriebenen Texte kontrollieren.
      -    Bei  der  Kontrolle der einzelnen Msg's  obliegt  dem  SysOp
           solange eine besondere Sorgfaltspflicht,  wie der  Verfasser
           nicht  selbst fuer den Inhalt haftbar gemacht  werden  kann.
           Wuenschenswert  waere natuerlich,  dem  einzelnen  Betreiber
           staendiges  Editieren zu ersparen;  dies ist aber nur  moeg-
           lich,  wenn  der  Autor  einer  Msg.  sich  hinterher  nicht
           dahingehend einlassen kann, er habe letztere nicht verfasst.
           Insofern genuegt es nicht,  dass der SysOp WEISS,  dass  der
           User  die Msg.  verfasst hat,  sondern er wird  es  BEWEISEN
           muessen; dies ist naturgemaess nicht einfach.
      -    Auch  bezueglich der Hardware besteht  keie  Narrenfreiheit;
           hier  liegt manches im Argen.  Da ich mich an dieser  Stelle
           aber  nur  mit den inhaltlichen  Anforderungen  an  Mailbox-
           Systeme auseinandersetzen moechte,  soll auf dieses  Problem
           nicht weiter eingegangen werden.

      Ich gehe davon aus, dass die Mailboxlandschaft in absehbarer Zeit
      mit erheblichen Eingriffen von aussen zu rechnen hat.  Dies  wird
      spaetestens dann geschehen, wenn das Medium Auswirkungen zeitigt,
      die einigen von denjenigen,  die bisher nicht aktiv  eingegriffen
      haben,  unangenehm werden.  Die Vernetzung von  Boxen,  steigende
      Qualitaet der Systeme und der in ihnen gespeicherten Daten, sowie
      das Angebot alternativer, aber hochwertiger Dienste ( z.B. Daten-
      und Nachrichtenvermittlung,  effektive Publikations- und Informa-
      tionsmoeglichkeiten) koennten zur Folge haben, dass diese Konkur-
      renz  zu den etablierten,  oft sehr kostenaufwendigen  und  nicht
      zuletzt auch politisch oder weltanschaulich beeinflussten  Netzen
      und  Diensten  nach kurzer Zeit nicht  mehr  gedultet  wird.  Ist
      dieser Zeitpunkt erreicht, haengt der Fortbestand des aufgebauten
      entscheidend  davon ab,  wie 'wasserdicht' die einzelnen  Systeme
      sind.

 3.)  Konsequenzen
      ------------

      Nach  diesem kurzen 'ideologischen' Abstecher nun wieder  zurueck
      zum Thema.  Wenn sich die Betreiber darueber klar sind,  wie  sie
      sich  faktisch  verhalten sollten,  ist damit  immer  noch  nicht
      geklaert,  wie  man  die aus der  aktuellen  Sachlage  gewonnenen
      Erkenntnisse in konkrete Konzepte umsetzen kann.

      a)   Zunaechst  besteht die immer wieder genannte und auch  gele-
           gentlich  praktizierte Moeglichkeit der Vorzensur.  Aus  be-
           reits  genannten  Gruenden  ist  diese  zwar  die  fuer  den
           Betreiber unproblematischste,  aber aufgrund extremen Atrak-
           tivitaetsverlustes nicht wuenschenswert.

      b)   Die von der HC genannte Moeglichkeit des taeglichen  Editie-
           rens  halte ich ebenfalls fuer ungeeignet.  Erstens  ist  es
           kaum  wahrscheinlich,  dass ein SysOp ueber's Jahr  taeglich
           die  Zeit  zum  Editieren seiner  Box  hat;  oftmals  werden
           'Urlaubstermine' vorher bekanntgegeben, sodass solche Zeiten
           zum Missbrauch geradezu einladen.  Aber,  selbst wenn es dem
           Betreiber gelingt, seine Box regelmaessig zu warten, wird es
           ihm schwerfallen, hierueber den Nachweis zu fuehren.

      c)   Eine akzeptable, aber nur in den seltensten Faellen einsetz-
           bare  Loesung  waere,  mit  einem  geschlossenen  System  zu
           arbeiten,  d.h.  Gaesten  generell  keinen Zugriff  auf  das
           System zu ermoeglichen.

      d)   Eine weniger restriktive Variante dieses Konzeptes,  die den
           derzeitigen  Gegebenheiten  nichtkommerzieller  und   privat
           betriebener Systeme eher gerecht wird,  besteht  darin,  nur
           solchen  Personen  Schreibzugriff  fuer  Bretter  und  Files
           einzuraeumen,  die der Allgemeinheit zugaenglich  sind,  die
           sich  (nachpruefbar)  dazu  verpflichtet  haben,   fuer  die
           Rechtsfolgen  der Msg's,  die unter ihrem Usernamen  veroef-
           fentlicht wurden,  selbst aufzukommen. Dies laesst sich m.E.
           aber  nur  mittels des  Abschlusses  von  Nutzungsvertraegen
           sinnvoll realisieren.

      e)   Damit  sind aber erneut Gefahren  verbunden:  Der  Betreiber
           verfuegt hiermit ueber hoechst brisante Daten, denen womoeg-
           lich weder er,  noch sein System gewachsen  ist.  Namentlich
           handelt  es sich um das Problem der Accountsicherung  einer-
           seits und das des Schutzes der dem SysOp zugaenglichen Daten
           andererseits.  Das  letztere  wurde  bereits  durch  die  HC
           angesprochen; die durch den Systembetreiber erfassten perso-
           nenbezogenen  Daten  koennten  im Zusammenhang  mit  den  im
           Mailbox-System  gespeicherten  Msg's  zu  einer  machtvollen
           Informationsquelle fuer interessierte Dritte werden.  Gerade
           die jugendlichen 'Gelegenheits-' SysOps duerften aber in den
           seltensten Faellen in der Lage sein, mit dieser Wissensbasis
           verantwortlich umzugehen.  Noch gewichtiger scheint mir  das
           Problem  der  Account-Verwaltung:  Wie ich  selbst  erfahren
           konnte, gehen nicht wenige Systembetreiber mit den von ihnen
           eingerichteten  Accounts  einigermassen  sorglos,  bisweilen
           sogar unverantwortlich um.  Die fahrlaessige Verwaltung  der
           Accounts macht alle Anstrengungen,  mittels des Nutzungsver-
           trages  die Verantwortung fuer den Inhalt der Msg's auf  den
           Autor abzuwaelzen, wieder zunichte.

           Aufgrund  dieser Erkenntnis wurde ein System (mit dem  Namen
           'Account-Service') entwickelt,  das fuer regionale  Mailbox-
           Gruppen  die o.g.  Probleme vermeidet und die  Effektivitaet
           des  Betreiberschutzes  noch  erhoeht;  dieses  System  wird
           demnaechst in der PAL erstmals anlaufen.

           Der 'Account-Service' fuehrt die Idee des  Nutzungsvertrages
           weiter. Allerdings wird hier eine Art 'Zentralstelle' einge-
           richtet,  die zwischen den angeschlossenen  Systembetreibern
           und den Benutzern vermittelt. Dies hat folgende Vorteile:

           -    Die  Verantwortung fuer den Inhalt der einzelnen  Msg's
                traegt der Autor, nicht der einzelne Betreiber.
           -    Fuer  die Benutzer selbst wird desweiteren eine  rela-
                tive Datensicherheit erreicht und  gewaehrleistet,  so
                dass  auch er sach- und rechtswidrige Eingriffe  nicht
                hinnehmen muss.
           -    Ferner wird es fuer die Teilnehmer des Account-Service
                erstmals moeglich sein, im Wege der Datenfernuebertra-
                gung wirksame Rechtsgeschaefte zu taetigen.
          -    Schliesslich  wird durch das System der  Sammlung  und
                Vermittlung von Accounts,  sowie nur einmaliger  Spei-
                cherung  personenbezogener Daten  eine  weitestgehende
                Anonymitaet des einzelnen sichergestellt,  die nur  im
                Falle des Missbrauchs aufgehoben wird.  Die persoenli-
                chen  Daten  der  Benutzer  sind  dem  einzelnen  Box-
                Betreiber  demnach nicht bekannt,  er kann  jedoch  im
                Bedarfsfalle  den  Inhaber eines  Accounts  ermitteln.
                Nach  Installieren des Accounts hat die  Zentralstelle
                wiederum nicht ohne weiteres Zugriff auf den  Account,
                da jede Box die Moeglichkeit bieten wird  (muss),  das
                Password selbsttaetig zu aendern.

      Natuerlich  stellen die genannten Konzepte keine  abschliessende
      Auflistung der Moeglichkeiten dar,  mit deren Hilfe sich System-
      betreiber  absichern  koennen;  ich wollte hier  auch  lediglich
      einige  denkbare  Modelle  mit  ihren  Staerken  und  Schwaechen
      vorstellen.

 4.)  Zukunftsperspektiven
      --------------------

      Nach  meiner Meinung wird die Debatte ueber Rechtsprobleme  beim
      Betrieb  von  Mailboxen  in der Zukunft  nichts  an  Aktualitaet
      verlieren;  die Mailboxlandschaft wird sich langfristig  wesent-
      lich  veraendern.  Einige  Betreiber  werden  ihre  Systeme  auf
      geeignete  Weise  umgestalten;  den uebrigen  duerfte  es  nicht
      gelingen, ihre Boxen langfristig weiterzubetreiben. Insbesondere
      die  sog.  'Kinderzimmer-Boxen',  die das Genre vor kurzer  Zeit
      noch wesentlich mitbestimmt haben,  duerften an der Zahl wesent-
      lich  abnehmen;  die  Mailboxen im  PUBLIC-Betrieb  werden  ganz
      verschwinden.  Ich hoffe, dass es im Rahmen der von mir erwarte-
      ten  Umgestaltung nicht zu allzugrossen 'Verlusten'  auf  seiten
      derer kommt, die eine Mailbox als Hobby betreiben oder benutzen.
     Ob  es gelingt,  die dafuer noetige Ueberzeugungsarbeit zu  lei-
      sten, wird die Zukunft zeigen...

             (C) SASTRE 01/1987 - alle Angaben ohne Gewaehr

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