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boris
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Titel: Philip Roth - Der Ghost Writer
Verfasst am: Mo, 19 Jun 2006, 10:20 |
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Philip Roth - Der Ghost Writer
Nathan Zuckerman, ein junger angehender Autor, besucht in den 50er Jahren sein Idol, den Autor E.I. Lonoff, verbringt eine Nacht in seinem Haus und erfährt einiges über die Gegensätze zwischen Literatur und dem Leben, das dahintersteckt.
Zuckerman muß schnell erfahren, daß sein Vorbild mit seinem Leben garnicht wirklich klarkommt, eine unzufriedene Frau hat, sich mit dem Schreiben quält und die Gesellschaft von Menschen generell schlecht erträgt. Dabei legt er (Lonoff) eine zermürbende Gleichgültigkeit an den Tag, die er mir lakonischen und sehr abgeklärten Bemerkungen offenbart, die seine Frau in die Verzweiflung treiben.
Zusätzlich ist da noch die undurchsichtige "Praktikantin" Amy, die seine Notizen sortiert und mit im Haus lebt.
Philip Roth ist grandios. Sein Stil ist bestechend präzise und kristallklar, dabei aber nie unnötig verschnörkelt, wenn man manche Sätze aber auch trotzdem mehrfach lesen muß ... naja, "muß" ist zu hart, die Sätze machen einfach Spaß !
Das Buch fängt allerdings erst recht langsam an, auf den ersten 40-50 Seiten passiert fast garnicht, es wird nur in endlosen Rückblenden erzählt - erst später wird die Bedeutung für die gesamte Handlung klarer.
Zuckerman hadert mit seinem Vater, da er eine Story veröffentlichen will, die seine Familie in einem schlechten Licht stehen läßt - insbesonderen in einem schlechten Licht als Juden, die er - so der Vater - als habgierig darstellt, was kurz nach dem Ende der Nazizeit besonderes Gewicht hat. Die generelle Verantwortung der Literatur steht hier zur Diskussion (wird allerdings im Buch nicht wirklich aufgelöst.)
Gleichzeitig hört er (Zuckerman) ein Gespräch zwischen Lonoff und Amy mit, die sich für die angeblich verstorbene Anne Frank hält ... oder ist sie es wirklich ?
Roth wagt sich an große Themen und meistert sie bravurös. Die Judenverfolgung, der Haß auf Juden wird an individuellen Beispielen und einem unerhörtem "Trick", dem Widerauferstehen von Anne Frank und das Nacherzählen ihrer Biographie nach ihrem angeblichen Tod, so hautnah dargestellt, daß es einem mehr als einmal einen kalten Schauer verpaßt, ohne jedoch in Platitüden, Bitterkeit oder 1000x-Gehörtes zu verfallen.
Absolute Empfehlung, dieses Buch ist spitze und übertrifft durch das Wagnis des Themas und der Ausführung noch seinen Roman "Der menschliche Makel" (und ist natürlich um Längen besser als der Langweiler "Das sterbende Tier").
____________ beehave - home of humbug ... [we can't afford to be neutral]
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