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boris
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Titel: Stewart O'Nan - Das Glück der anderen
Verfasst am: Sa, 10 Nov 2007, 12:32 |
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Stewart O'Nan - Das Glück der anderen
Warum dieses Buch, das im Original den Titel "A Prayer for the Dying" trägt, im Deutschen so heißen mußte, entzieht sich meiner Kenntnis. Der deutsche Titel paßt zwar auch, aber wieso überhaupt umbenennen, eine Übersetzung hätte es auch getan.
Hinweis für Interessierte: der "Meyersche" Buchhandlung in Köln (dürfte aber auch sonstwo erhältlich sein) hat diese Ausgabe (Hardcover) momentan für knappe 5€ als Remittende ausliegen. (Bei amazon gehts - gebraucht - noch günstiger.)
Worum gehts ?
In der kleinen Stadt Friendship wacht Sheriff Hansen über seine Gemeinde, denn er ist nicht nur Gesetzeshüter sondern auch Pfarrer und Totengräber. Von seiner Dienstzeit im Krieg mental gezeichnet, glaubt er jetzt an die Kraft des Guten und versucht, diese Werte in seiner Stadt hochzuhalten. Er wird auf eine schwere Prüfung gestellt, als (die Handlung spielt Ende des 19. Jahrhunderts) eine Diphterie-Epidemie ausbricht. Nach und nach erkranken die Bewohner, es müssen Häuser unter Quarantäne gestellt werden, die Stadt wird abgeriegelt - einige möchten sich aber damit nicht abfinden und versuchen zu fliehen, während gleichzeitig ein Waldbrand auf die Stadt zusteuert und der Sheriff versucht, bei allem, was nötig ist, noch moralisch vertretbar zu handeln.
O'Nan schreibt wie immer äußerst einfühlsam und hat in dieser Geschichte den Horror der Isolation und die Verzweiflung seiner Protagnonisten perfekt einfangen. Die Hauptperson, die sich selbst den "verrückten Jacob" nennt, hat er sehr differenziert gezeichnet, vor allem die Episoden, in der er langsam abdreht, überschreiten teilweise die Gänsehautgrenze.
Alles in allem wäre das Buch absolut großartig, wenn O'Nan nicht auf die Idee verfallen wäre, die ganze Zeit in der zweiten Person zu schreiben. So wird durchgehen im Stil "Du machst dieses, Du denkst jenes und Du weißt, daß Du Recht hast" erzählt, was das Lesen unnötig erschwert - und obwohl man quasi direkt angesprochen wird, fällt die Identifikation mit der Person schwer, man sieht sie innerlich trotzdem "von außen", während die Anrede irritiert.
(Auf amazon wird dieser Umstand folgendermaßen kommentiert: "(...) Welchen Teufel hätte Stewart O'Nan sonst geritten, seinen Protagonisten durchgängig in der zweiten Person anzureden, eine die ruhige Erzählstruktur beinahe ruinierende, völlig überflüssige und enervierende Idee?")
Also: ein sehr gutes, hoch moralisches Buch über den Kampf eines Mannes, der in der Bedrängnis steht, "Das Glück der anderen" (deswegen paßt auch der deutsche Titel irgendwie) bestimmt zu müssen. Allerdings ist das Lesen durch die blöde Perspektive etwas anstrengend.
Trotzdem: Empfehlung !
____________ beehave - home of humbug ... [we can't afford to be neutral]
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