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Dave Eggers - Der Circle
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boris



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Titel: Dave Eggers - Der Circle
Verfasst am: Mi, 10 Jun 2015, 22:31
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Dave Eggers - Der Circle

Story: Mae Holland kann es kaum fassen, sie hat einen neuen Job bei "The Circle", einem Technologiekonzern, im Buch Nachfolger von Google, Facebook und Twitter, der über unbegrenzte Mittel zu verfügen scheint und die Zukunft der Welt mitbestimmt. Sie fängt in der Abteilung der Customer Experience an, arbeitet sich aber schnell hoch und wird schließlich einer der ersten "Transparenten", d.h. sie läuft den ganzen Tag mit einer Kamera herum, die ihr ganzes Leben live und unmittelbar ins Netz schickt, wo es jeder sehen und kommentieren kann.
Der Konzern strebt nach Höherem: Die komplette Vernetzung von allem und jedem, Eindämmung von Kriminalität durch ständige Überwachung eines jeden durch jeden. Auch Maes Privatleben wird von den Errungenschaften des Circle berührt, allein ihr Ex-Freund übt Kritik am System der totalen Überwachung, und auch ein seltsamer Fremder, der sie immer wieder aufsucht, kommt ihr suspekt vor.

Das Buch hat ordentliche Lorbeeren erhalten, von heise.de z.B., und sogar Denis Scheck, seines Zeichens intellektuelles Buchrezensionsaushängeschild der ARD empfiehlt den Roman.

Ich nicht.

Zum einen ist das Buch inhaltlich kaum innovativ, alle vorgestellten Techniken gibt es bereits, sind zum Teil sogar schon länger im Einsatz (z.B. das sogenannte "life recording"), ebenso die Kritik daran. Der "große aufklärerische Akt", den Juli Zeh dem Buch bescheinigt, ist weit und breit nicht zu erkennen. Für jemanden, der sich mit Technik überhaupt nicht auskennt und die letzten zwanzig Jahre in einer Höhle gelebt hat, mag das alles neu sein, für alle anderen aber kaum. An den Stellen, wo Eggers überzieht, um Möglichkeiten aufzuzeigen, übertreibt er es dann: Konzentriert arbeiten mit sechs Monitoren, dazu noch Hunderte von Fragen, die man gleichzeitig per Headset beantwortet? Klar.
Dann ist die Hauptfigur völlig unglaubwürdig: erst dumm und völlig willenlos, rennt nur Likes hinterher, macht alles mit, was man ihr sagt ("Ständige Aufzeichnung und Sendung von dem, was ich mache? Klar, her damit!"), ist kaum auszuhalten unterwürfig - auch ihrer Freundin gegenüber, der sie zwischendurch mit einem Mal einen komplett irrationalen Hass entgegenbringt. Und dann ist dieses Dummchen es plötzlich, die dem Konzern eine (weitere) bahnbrechende Idee vorschlägt, die sie plötzlich aus dem Ärmel zaubert.
Unglaubwürdig ist auch das Setting: Es gibt kaum nennenswerten Widerstand gegen die Allmachtspläne des Konzerns, einzige Ausnahme ist ihr Ex-Freund, der redet aber so polemisch gestelzt daher, das es einen gruselt (auch hier wieder: Die Warnungen sind alles andere als neu, die gab es schon im Klassiker "1984" von George Orwell vor beinahe 70 Jahren). So gut wie alle anderen Personen in der Gesellschaft scheinen einfach mitzumachen, selbst Maes Eltern, die zunächst noch vom Circle profitieren und sich erst später absetzen, aber nicht wirklich wehren, selbst als sie weltweit beim Sex zu sehen sind.
Sprachlich ist das Ganze "unterkomplex" (wie Denis Scheck ständig anmerkt, nur nicht in seiner Rezension zu diesem Buch), sobald es um das Innere der Figuren geht und es eigentlich mal interessant sein sollte, wird es schnell platt und klischeehaft (so wie die Figuren selbst die ganze Zeit), die überflüssigen Sexszenen sind geradezu unaushaltbar dämlich ("Sie wollte spüren, wie er in sie eindrang." ist noch einer der besseren Sätze, und selbst der hört sich schon an wie aus einem Billigst-Liebesroman-Heftchen, wenn Eggers dann bei der Beschreibung einer vorzeitigen Ejakulation kein besseres Synonym einfällt als ein mit Milch bekleckertes Stück Kaminholz, wird es richtig peinlich).

Ich hätte wirklich Lust gehabt auf ein aktuelles, spannendes Buch zu diesem Thema und hätte aufgrund der überall so prominent platzierten, guten Rezensionen auch ein solches erwartet, aber leider ist "Der Circle" nur eine müde Suppe von lange bekannten Dingen, sprachlich überschaubar bis peinlich und in Gestaltung der Dramaturgie und ihrer Figuren ärgerlich platt.


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