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boris
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Titel: Aldous Huxley, Christopher Isherwood - Jakob der Heiler
Verfasst am: Fr, 27 Mai 2011, 19:06 |
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Aldous Huxley, Christopher Isherwood - Jakob der Heiler
Ein "literarischer Sensationsfund" (Rückentext), weil das Skript (angeblich von Schaupielerin Sharon Stone) nach jahrelangem Verschollensein (50 Jahre) irgendwo entdeckt wurde. Außerdem (wieder Rückentext) ein "kleines Meisterwerk". Naja.
Story: Jakob ist mit Heilkräften begabt. Als er seine Angebetete Sharon (s.o., Zufall?) heilt und diese nach Los Angeles zieht, reist er ihr irgendwann nach und gerät in die Fänge einer habgierigen Gesellschaft, die ihn und seine Liebe auszubeuten droht.
Im Vorwort wird das Buch und sein Inhalt als superkritisch und was weiß ich noch in den Himmel gelobt ... die grundlegende Fragestellung, ob man einen Menschen heilen sollte, wenn man damit nur seinem Körper hilft, nicht aber seiner (ggf. "bösen") Seele, ist gar nicht so uninteressant, das Buch taugt aber trotzdem nichts und ist alles andere als ein "Meisterwerk". Nur, weil es fünfzig Jahre (vielleicht zu Recht) unentdeckt war, wird es dadurch nicht besser, ist ja schließlich kein teurer Wein.
Die von mir schon bei Huxleys Klassiker "Schöne neue Welt" angebrachte Kritik gilt hier doppelt: es passiert alles zu schnell und zu einfach, die Protagonisten entwickeln sich nicht langsam sondern immer schlagartig und wissen dann sofort alles. Dazu kommt, dass das Buch ein "Drehbuch" sein soll, d.h. es gibt Regieanweisungen und kurze und knappe Beschreibungen von Situationen und Dialogen, trotzdem ist der Text geschrieben wie normale Prosa. Literarisch ist das ganze Ding daher bemerkenswert flach, aber auch inhaltlich kann man dem ganzen nichts abgewinnen, alles passiert im Zeitraffer, inneren Handlungen werden mal eben hingeworfen, ohne näher erklärt oder ausgearbeitet zu werden. Auch die Dialoge sind teilweise nur in Zusammenfassungen vorhanden und geben direkt Erklärungen über Hintergründe und Motivation mit, in etwa so "Die Mutter fragte sie aus, Sharon erzählte ihr die ganze Geschichte, aber die Mutter hörte nicht zu, ihrem besitzergreifenden Charakter gemäß plante sie schon die nächsten Schritte, um Sharons Liebe zu Jakob zu vergiften." (Kein Zitat, aber derart dämlich geht es die ganze Zeit zu.)
Alles in allem kann man die Handlung schnell zusammenfassen: Naiv-guter Heiler, der nur das beste will, wird von habgieriger Gesellschaft ausgebeutet und verschwindet wieder in die Wüste, wohingegen sich seine Geliebte dem Geld hingibt und dadurch korrumpiert wird. Er hat (aller Naivität zum Trotz) alles durchblickt (blöde Parallele zu "Schöne neue Welt) und zieht sofort die richtigen Schlüsse. Boah.
Fazit: Gähn. Total platt und nervig vereinfachend, Gesellschaftskritik geht anders. Insgesamt sehr überflüssig, das Teil ist ein unbearbeiteter, erster Entwurf einer Idee, aus dem ein Buch oder ein Film hätte werden können, mehr nicht.
PS: Und dabei ist Huxley ja nicht nur schlecht, "Das Genie und die Göttin" z.B. fand ich ganz gut.
____________ beehave - home of humbug ... [we can't afford to be neutral]
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